Trotz Protest: Kalle muss Wohnung räumen
Vermieter meldet Eigenbedarf an. Doch Anwohner vermuten Spekulation hinter der Kündigung für den Mieter.
Köln. Soweit man blickt: Polizei. Das Haus Fontanestraße 5 in der Kölner Innenstadt ist umstellt. 100 Beamte sind im Einsatz. Es geht um Kalle. Kalle Gerigk (Foto: dpa), den zurzeit wohl bekanntesten deutschen Gentrifizierungs-Gegner. Er kämpft um seine Mietwohnung. Etwa 100 Demonstranten machen sich jenseits der Straßensperre für ihn stark. Von den Balkonen umliegender Häuser flattern Transparente: „Kein Eigenbedarf — Falle für Kalle“.
Nach Angaben der Bundesregierung sind die Mieten in deutschen Großstädten seit 2008 um mehr als zehn Prozent gestiegen. In den Zentren angesagter Metropolen ist die Lage besonders dramatisch. Die Nachfrage steigt dort ständig, das Angebot kann aber kaum noch erweitert werden. In einer Stadt wie Köln nimmt die Einwohnerzahl zudem ständig zu. Da bleibt vielen nur noch der Rückzug in die Vorstädte. Gentrifizierung heißt das Schlagwort für diese Form der Verdrängung alteingesessener Mieter durch wohlhabendere Schichten.
In Köln scheinen die Fronten klar: Auf der einen Seite der nette Kerl, der seit 32 Jahren treu seine Miete bezahlt hat. Und auf der anderen Seite der Immobilienhai, der die Wohnung aufkauft, Eigenbedarf anmeldet und dem Mieter kündigt, um — so der Verdacht — die Wohnung zu sanieren und teuer weiterzuverkaufen. Die Gerichte sahen es aber anders. Zuerst das Amtsgericht und dann auch das Landgericht. „Es liegt ein Urteil vor, das den Mieter rechtskräftig zur Räumung der Wohnung verurteilt“, sagt Gerichtssprecher Marcus Strunk.
Die Polizei beginnt, die Demonstranten wegzutragen. Einige leisten Widerstand. Dann kommen die Möbelpacker. Schließlich erscheint Kalle selbst. „Der Gerichtsvollzieher war sehr freundlich“, sagt er. Er habe freiwillig den Schlüssel ausgehändigt. Jetzt wird er erstmal bei Freunden einziehen und dann eine Anzeige aufgeben: „Kalle sucht Wohnung.“