Tschernobyl für den Tank

Biosprit: 22 Jahre nach dem Gau sollen auf verseuchten Flächen Biokraftstoffe gewonnen werden – für Tankstellen in der EU. Verstrahlen wir unsere Umwelt bald durch den Auspuff?

Tschernobyl. Fast ein Viertel der Fläche von Weißrussland und Teile der Ukraine sind seit dem Reaktorunfall von Tschernobyl radioaktiv verseucht. Seit 22 Jahren wird auf einer Fläche von rund 60.000 Quadratkilometern - fast doppelt so groß wie NRW - keine Ernte mehr eingefahren.

Fast zeitgleich wollen zwei Unternehmen nun einen Teil der verwaisten Äcker wieder aufblühen lassen: Rund um Tschernobyl sollen aus Raps und Weizen große Mengen Biosprit hergestellt werden - für den Export in die EU. Pusten deutsche Autos bald radioaktive Abgase in die Luft?

Ulrich Abram, Professor für anorganische Chemie an der Freien Universität Berlin, hält das bei Bioethanol - zumindest in der Theorie - für ausgeschlossen. "Caesium und Strontium können zwar von Pflanzen aufgenommen werden, sie bleiben bei der Destillation jedoch in der Pflanze zurück", erläutert Abram. "Der Biosprit selbst ist nicht radioaktiv."

Anders sieht es bei der Produktion von Biodiesel aus, denn dafür wird die Pflanze ausgepresst. "Da wäre es theoretisch möglich, dass Reste in den Kraftstoff gelangen", räumt Professor Frank-Dieter Kopinke ein. "Wir werden aber mit einer Art Waschverfahren sicherstellen, dass die Radionuklide aus dem Biokraftstoff entfernt werden."

Das renommierte Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, für das Kopinke arbeitet, ist von der Berliner Firma PvT Capital für diese Aufgabe engagiert worden. Das Reinigungsverfahren soll bei Biodiesel und Bioethanol angewandt werden.

PvT Capital will 2010 mit dem Anbau in verstrahlten Regionen der Ukraine beginnen. Biodiesel soll hauptsächlich aus Raps, Bioethanol aus Weizen hergestellt werden. Die Verantwortlichen sind sich bewusst, dass sie ein heißes Eisen anpacken. "Der Produktionsprozess von Biokraftstoffen wird durch die Umweltexperten der Helmholtz-Gesellschaft vom Anfang bis zum Ende überwacht und zertifiziert", betont Pressesprecher Sascha Monath.

"So wird gewährleistet, dass die Arbeitskräfte sicher und die Kraftstoffe absolut kontaminationsfrei sind. Es verlässt kein Produkt die Region, das eine Gefährdung darstellen könnte."

Das verspricht auch das irische Unternehmen Greenfield Project Management, das in Weißrussland anbauen möchte. Die Iren sind eine Kooperation mit PvT eingegangen und wollen ihre Produkte ebenfalls von der Helmholtz-Gesellschaft zertifizieren lassen.

Greenfield-Pressesprecher Basil Miller hatte in den vergangenen Wochen alle Hände voll zu tun, die Schlagzeilen irischer Boulevardblätter richtigzustellen. "Strahlt Ihr Auto bald in der Nacht?" war da zu lesen. "Das ist einfach lächerlich", so Miller gegenüber dem "Ethanol Producer Magazine". Die Strahlung, die übrig bleibe, werde nicht messbar größer sein als die, die bei Biosprit aus allen Regionen der Welt vorhanden sei. Alle Grenzwerte würden eingehalten.

Sicher ist, dass der Anbau positive Effekte auf die Kontamination im Boden haben wird. Bisher ging man davon aus, dass die verseuchten Flächen noch für mindestens 100 Jahre für den Nahrungsmittelanbau Tabu bleiben würden. Durch die regelmäßige Bewirtschaftung der heute verwilderten Flächen dürfte dieser Zeitraum deutlich verringert werden.

Greenfield glaubt, dass die Kontamination schon in rund 30 Jahren verschwunden sein könnte. Und: Dieser Biosprit-Anbau hat keine negativen Effekte auf die Lebensmittelpreise, da er keine Ackerflächen zur Nahrungsproduktion verdrängt.

Die ukrainische und die weißrussische Regierung sind von den Plänen überzeugt. Zurzeit werden Besitzverhältnisse bei den betroffenen Flächen geklärt. In der Ukraine sollen 2000 bis 4000 Quadratkilometer bepflanzt werden. Nun muss noch die Europäische Union von der Ungefährlichkeit der Pläne überzeugt werden, damit sie den Biosprit auch herein lässt. Erste Gespräche werden zurzeit in Brüssel geführt.