Überfälle auf Juweliere: Bewaffnet und skrupellos
Mit Äxten und Hämmern rauben Schmuckdiebe am helllichten Tag Juweliere aus. Polizei und Händler sind in der Regel machtlos.
Frankfurt. Marcus Jakob kann es nicht fassen. „Bis wir das richtig verarbeitet haben, das dauert noch ein bisschen“, sagt der Schmuckhändler.
Am helllichten Tag stürmt eine schwer bewaffnete Räuberbande sein Juweliergeschäft in einem Einkaufszentrum im hessischen Sulzbach, sie zertrümmert die Vitrinen, stopft den Schmuck in Rucksäcke und ist nach wenigen Momenten auf und davon.
„Bisher wussten wir, dass so etwas theoretisch möglich ist, nun ist es passiert“, sagt Jakob kurz nach dem Raubüberfall Anfang vergangener Woche.
Sulzbach, Wiesbaden oder sogar mitten auf der Münchener Luxusmeile Maximilianstraße: Die Banden kommen oft am helllichten Tag, bewaffnet mit Äxten, Schlagstöcken oder Vorschlaghämmern.
Sie steuern ihr Auto brachial wie einen Rammbock ins Schaufenster und schauen bei ihren Attacken nicht selten unmaskiert in die Sicherheitskameras. Schmuckräuber schlagen nach Erfahrungen der Polizei oft besonders dreist zu, sie scheuen kaum ein Risiko und sind nach den Überfällen blitzschnell verschwunden.
Die Taten machen Schlagzeilen, aber die Zahl der brachialen Überfälle steigt nicht, heißt es in den Polizeipräsidien. Das sehen die Juweliere anders: „Es gab in den vergangenen fünf Jahren eine stetig zunehmende Zahl dieser Raubüberfälle und Einbrüche“, sagt Joachim Dünkelmann, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Juweliere, Schmuck- und Uhrenfachgeschäfte (Köln).
„Die Täter werden immer unverfrorener.“ Die Polizei sei personell und auch technisch unterversorgt, um den oft grenzüberschreitend operierenden Banden auf die Spur zu kommen.
Nach Angaben von Martin Winckel, der mit seinem Juwelier-Wachdienst in Lünen Daten und Hinweise rund um die Sicherheit in der Branche sammelt und berät, hat die Zahl der Raubüberfälle auf Juweliere zwischen 2007 und 2012 von 45 auf 140 zugenommen.
Die Mannheimer Versicherungen, die mit den meisten Juwelieren zusammenarbeiten, sprechen von einem jährlichen Gesamtschaden für die Uhren- und Schmuckbranche in zweistelliger Millionenhöhe. „Vor allem in der jüngeren Vergangenheit, auch in Verbindung mit dem Goldpreishoch, stellen wir eine höhere Frequenz fest“, sagt Unternehmenssprecherin Isabelle Haupt. Die Suche nach den Tätern ist oft erfolglos.
Um sich zu schützen, haben die Juweliere zwar aufgerüstet: Das Personal wird geschult, es gibt Sicherheitstrainings, moderne Alarmsysteme, preiswertere Nachtdekorationen und sogar Vernebelungsmaschinen. „Aber vollkommene Sicherheit gibt es nicht“, sagt Verbands-Geschäftsführer Dünkelmann.
Die Branche sei auf eine besser ausgerüstete Polizei angewiesen. Fachmann Winckel schiebt den Schwarzen Peter auch den Händlern zu: „Juweliere haben ihre Läden teilweise gesichert wie eine Gartenhütte.“ Mit besserem Schutz hätten 80 Prozent der Überfälle und Einbrüche verhindert werden können.
Nur selten sind die Folgen der Überfälle so tragisch wie in Wuppertal, wo im Oktober 2012 eine Verkäuferin in einem Juweliergeschäft erschossen worden war. Meistens bleibt es neben den schweren psychischen Folgen für die Opfer bei Sachschäden: „Den Schmuck zum Beispiel sehen sie selten wieder. Die Stücke können entsteint werden, das Edelmetall wird oft eingeschmolzen“, heißt es beim Juwelierverband.