Umstrittene Gipfeljagd

Wettlauf: Südkoreanerin bezwingt als erste Frau die 14 höchsten Berge. Die Rekordleistung von Oh Eun Sun steht aber in der Kritik.

Seoul. Der Wettlauf in der Todeszone ist entschieden: Die südkoreanische Bergsteigerin Oh Eun Sun hat als erste Frau der Welt alle 14 Achttausender erklommen. Ein koreanischer Fernsehsender zeigte am Dienstag live die Ankunft der 44-Jährigen auf dem Gipfel des 8091 Meter hohen Annapurna in Nepal. Bei minus 29 Grad Celsius warf Oh mit einer Flagge Südkoreas in der Hand jubelnd ihre Arme in die Höhe.

Neben Oh waren zuletzt zwei andere Frauen nahe dran an dem Rekord: Der Spanierin Edurne Pasaban (36), die im April auf dem Annapurna-Gipfel stand, fehlt nur noch der Xixabangma. Die Österreicherin Gerlinde Kaltenbrunner (39), die mit dem deutschen Rekord-Bergsteiger Ralf Dujmovits im badischen Bühl lebt, stand auf zwölf der Bergriesen. Momentan ist sie am Mount Everest unterwegs. Auch der K2 fehlt ihr noch. Als erster Mensch überhaupt hatte der Südtiroler Reinhold Messner 1986 die Pionierleistung vollbracht. Insgesamt gelang es weltweit bislang erst 18 Menschen, alle Achttausender zu besteigen.

Ohs Rekordjagd ist umstritten, nicht nur weil sie bei ihren Expeditionen einen großen logistischen Aufwand betreibt und in dünner Luft zusätzlichen Sauerstoff benutzt. Sie ist erst vor wenigen Jahren in die Elite der Extrembergsteiger vorgestoßen. In zehn Jahren bestieg sie fünf Achttausender, weitere acht soll sie dann innerhalb von 15Monaten geschafft haben. 2009 nährte ein unscharfes Gipfelfoto Zweifel, ob sie tatsächlich auf dem Kangchendzönga war. Dabei steht sie vermummt auf einem nackten Felsen, während das Foto der Expedition ihrer Rivalin Pasaban zur gleichen Jahreszeit Schnee auf dem Gipfel zeigt. Zudem sollen einige Begleiter von Oh gesagt haben, dass sie den Gipfel nicht erreicht habe. Oh wies die Anschuldigungen stets zurück.

Die als "Himalaya-Chronistin" allseits anerkannte amerikanische Journalistin Elizabeth Hawley sagte dem britischen Sender BBC, dass sie Ohs Besteigung als "angefochten" markiert habe. Sollten Hawleys Untersuchungen zu dem Ergebnis kommen, dass Ohs Gipfelbesteigung nicht anerkannt wird, würde der Rekord der Koreanerin keine internationale Anerkennung finden.

Für Pasaban und Kaltenbrunner wäre das eine neue Chance. Doch zumindest die Österreicherin hat sich oft genug davon distanziert, einen Wettbewerb bestreiten zu wollen. "Es gibt und es gab nie ein Wettrennen für mich. Wenn es mir nur um den Rekord ginge, hätte ich überall die Normalwege genommen", sagte die 39-Jährige. "Ich möchte auf jedem der 14 Achttausender-Gipfel gestanden haben, doch ist es mir völlig egal, als wievielte Frau."

Die spanische Bergsteigerin Edurne Pasaban hat ihrer südkoreanischen Rivalin Oh Eun Sun gratuliert, die als erste Frau der Welt alle 14 Achttausender erklommen hat. Die Baskin erneuerte aber zugleich ihre schon früher geäußerten Zweifel, ob die Südkoreanerin im vergangenen Jahr tatsächlich den Gipfel des Kangchendzönga erreicht hat.

Gipfel Weltweit gibt es 14 Berge, die höher sind als 8000 Meter. Alle Achttausender stehen in Asien. Ein Überblick: Mount Everest 8850 Meter, K2 8611 Meter, Kangchendzönga 8586 Meter, Lhotse 8516 Meter, Makalu 8463 Meter (alle vier Himalaya an der Grenze zwischen China und Nepal), Cho Oyu zwischen 8188 und 8201 Meter , Dhaulagiri 8167 Meter, Manaslu 8163 Meter Nanga Parbat 8126 Meter, Annapurna 8091 Meter (alle fünf in Nepal/Himalaya), Gasherbrum I 8068 Meter (zentralasiatisches Gebirge Karakorum, Pakistan), Broad Peak 8047 bis 8051 Meter, Gasherbrum II 8035 Meter (beide Karakorum an der Grenze zwischen China und Pakistan), Xixabangma 8013 Meter (Himalaya, an der Grenze zwischen China und Nepal).