Vater gibt Inzest mit Tochter zu und findet nichts dabei
Hinter der Fassade dörflicher Idylle schien die Welt in Ordnung. Zum Auftakt des Nürnberger Inzestprozesses taten sich am Montag aber tiefe Abgründe auf. Rund 500 Mal soll ein heute 69-Jähriger seine Tochter vergewaltigt haben.
Nürberg/Willmersbach. Der Garten war stets gepflegt, die Mülltonnen waren am Abfuhrtag immer ordentlich aufgereiht - in dem kleinen Wohnhaus im fränkischen Dorf Willmersbach bei Nürnberg war äußerlich alles im Lot. Welche Abgründe sich hinter der Fassade im idyllischen Aischgrund auftaten, offenbarte sich am Montag im Saal 600 des Landgerichts Nürnberg-Fürth erstmals umfassend.
Vor der Großen Strafkammer muss sich in den kommenden drei Wochen ein 69 Jahre alter Rentner verantworten. Der hagere Angeklagte mit dem eingefallenen Gesicht soll mehr als 30 Jahre lang immer wieder seine eigene Tochter vergewaltigt haben. Insgesamt fast 500 Mal, wie die Frau der Kripo nach jahrzehntelangem Schweigen im März sagte.
Die Vergewaltigungen streitet ihr Vater zwar energisch ab; dass er aber in all den Jahren regelmäßig Sex mit seiner heute 46 Jahre alten Tochter hatte, räumt er am Montag zum Prozessauftakt unumwunden ein. Besonders redselig gibt sich der 69-Jährige dabei allerdings nicht. Der Vorsitzende der Großen Strafkammer, Günther Heydner, muss dem Angeklagten während der fast dreistündigen Vernehmung fast jede Aussage mühevoll aus der Nase ziehen.
Oft erhält der bewundernswert geduldige Richter als Antwort nur ein kurzes Kopfnicken, eine Schulterzucken, eine abweisende Handbewegung, hin und wieder ein „Ja schon“ oder „I was net“ („Ich weiß es nicht“). Viele Fragen versteht der 69-Jährige wegen seiner Schwerhörigkeit anscheinend nicht.
Bei anderen Fragen scheint der Vater von fünf erwachsenden Kindern den Sinn der Fragen gar nicht zu erfassen. Nach Angaben seines Anwalts ist der 69-Jährige Analphabet. Ob er strafmündig ist, muss noch ein Gutachter klären.
Deutlich wurde am ersten Prozesstag vor allem eins: Was hinter der bürgerlichen Fassade des Willmersbacher Wohnhauses passierte, machte erst ein „dichtes Loyalitäts- und Abhängigkeitsgeflecht“ möglich, wie es der Nürnbergers Psychiater Günter Niklewski kurz nach Bekanntwerden des Inzestfalls formulierte.
Der 69-Jährige schottete - wie seine Aussagen zum Prozessauftakt klar machten - seine Tochter systematisch von der Umwelt ab und machte sie so von sich auf abhängig. Die Familie nahm so gut wie nicht am Dorfleben teil. Seiner Tochter untersagte er jeden Männer-Kontakt.
Die Frage des Richters, ob seine Tochter denn mal einen Mann zu Besuch gehabt habe, beantwortet er eindeutig: „Da hätte ich keinen reingelassen.“ Flüchtige Kontakte zu ehemaligen Schulfreundinnen oder deren Männern, die sie beim gemeinsamen Einkauf traf, unterband der Vater. Und wenn es doch einmal geschah, machte er ihr deswegen später bittere Vorhaltungen.
Selbst geschlagen habe er sie deshalb, wie die Anwältin der als Nebenklägerin auftretende Tochter am Montag berichtete. Als erschreckend mutete viele Prozessbeobachtern das geringe Unrechtsbewusstsein des Angeklagten an. Er scheint den fast 500-fachen Sex mit der Tochter für das Normalste der Welt zu halten.
Sein Bericht über seinen ersten Sexkontakt mit der damals 17-Jährigen im Jahr 1982 klingt so harmlos wie ein gemeinsames Abendessen von Vater und Tochter. Die Frage des Richters, was ihn den dazu brachte, sich an der Tochter zu vergehen, quittierte er mit Unverständnis. Es sei eben „anders“ gewesen als mit seiner Frau.