Sexuelle Übergriffe Vatikan-Finanzchef Pell wegen Kindesmissbrauchs verurteilt

Melbourne · Ein ranghoher Kardinal ist verurteilt worden, weil er nach einem Gottesdienst zwei Chorknaben zu sexuellen Handlungen gezwungen hat. Für einen Betroffenen ist der Fall noch nicht vorbei.

George Pell muss sich vor Gericht verantworten.

Foto: AFP/CON CHRONIS

Der australische Kardinal und beurlaubte Vatikan-Finanzchef George Pell ist wegen Kindesmissbrauchs verurteilt worden. Der 77-Jährige wurde schuldig gesprochen, sich in den 1990er Jahren in der Kathedrale von Melbourne an zwei Chorknaben vergangen zu haben.

Der bereits im Dezember in der australischen Metropole gefallene Schuldspruch wurde erst am Dienstag bekannt. Pell - lange ein enger Vertrauter von Papst Franziskus - ist der ranghöchste katholische Geistliche weltweit, der wegen Missbrauchsvorwürfen verurteilt wurde.

Der einstige Erzbischof von Melbourne wurde schuldig gesprochen, nach einem Gottesdienst in der Sakristei der Saint-Patrick's-Kathedrale einen damals zwölf und einen 13 Jahre alten Jungen zu sexuellen Handlungen gezwungen zu haben. Er wurde in einem Fall wegen sexueller Penetration eines Minderjährigen und in vier Fällen wegen sexueller Übergriffe gegen Minderjährige verurteilt.

Ein Strafmaß gegen den Geistlichen, der als Vatikan-Finanzchef als Nummer drei des Vatikan galt, wurde noch nicht verkündet. Am Mittwoch ist ein neuer Gerichtstermin angesetzt. Pell könnte dann inhaftiert werden.

Die Anwälte des Geistlichen erklärten am Dienstag, ihr Mandant beteuere weiter seine Unschuld. Gegen seine Verurteilung haben sie nach eigenen Angaben Berufung eingelegt.

Das Urteil gegen den 77-Jährigen war bereits im Dezember gefallen, auf Anordnung des Gerichts aber bislang unter Verschluss gehalten worden. Hintergrund war ein geplanter weiterer Prozess gegen Pell zu anderen Vorwürfen, die aus den 1970er Jahren stammen. Mit dem weitreichenden Verbot jeglicher Berichterstattung über den im Dezember abgeschlossenen Prozess und den Schuldspruch sollte verhindert werden, dass das noch laufende Verfahren beeinflusst wird.

Die Staatsanwaltschaft entschloss sich aber am Dienstag, das zweite Verfahren nicht weiter zu verfolgen. In der Folge wurde das Verbot einer Berichterstattung über die Verurteilung vom Dezember aufgehoben.

Pell war am Dienstag bei dem Gerichtstermin zum möglichen zweiten Strafprozess in Melbourne anwesend. Beim Verlassen des Gerichtsgebäudes riefen einige Demonstranten "Monster" und "verrotte in der Hölle". Ein Mann, der in seiner Kindheit nach eigenen Angaben missbraucht worden war, bezeichnete den Schuldspruch gegen den Kardinal als "Wunder".

Von den beiden mutmaßlichen Missbrauchsopfern im Fall Pell starb eines im Jahr 2014. Der andere Mann äußerte sich am Dienstag schriftlich und erklärte, für ihn sei der Fall "noch nicht vorbei". "Wie viele Überlebende habe ich Scham, Einsamkeit, Depressionen und Kämpfe erlebt. Wie bei vielen Überlebenden hat es Jahre gedauert, bis ich die Auswirkungen auf mein Leben verstanden habe."

Er habe jemandem vertraut, den er hätte fürchten müssen - und habe sich später vor Menschen gefürchtet, denen er hätte vertrauen müssen.

Der Schuldspruch gegen Pell ist ein neuer harte Schlag gegen die katholische Kirche. Der Kardinal war lange Zeit einer der einflussreichsten katholischen Geistlichen. 2003 wurde er in das Kardinalskollegium berufen, das unter anderem den Papst wählt.

2014 machte Papst Franziskus ihn zum Finanzchef des Vatikan - ein Posten, von dem er wegen der Missbrauchsvorwürfe seit geraumer Zeit beurlaubt ist. Pell gehörte auch dem sogenannten C9-Kardinalsrat an, einem Beratergremium von Papst Franziskus. Er wurde aber im vergangenen Jahr ausgeschlossen.

Die katholische Kirche sieht sich seit Jahren mit zahlreichen Missbrauchsskandalen in vielen Ländern konfrontiert. Dabei geht es auch um Vorwürfe von weitreichender Vertuschung. Erst am Sonntag war im Vatikan ein mehrtägiger Krisengipfel zum Thema Kindesmissbrauch zu Ende gegangen.

Papst Franziskus hatte zum Abschluss des Treffens versichert, die Kirche werde künftig jeden einzelnen Fall mit "äußerster Ernsthaftigkeit" verfolgen. Ein Priester, der Kinder missbrauche, sei ein "Werkzeug des Satans". Konkrete Maßnahmen kündigte der Papst aber nicht an.

fs/

(AFP)