Wahlcomputer gegen Urne

Verfassungsrichter skeptisch gegenüber neuer Technik.

Karlsruhe. Es schien ein ungleicher Kampf zu sein, der am Dienstag vor dem Bundesverfassungsgericht ausgetragen wurde. Auf der einen Seite Stimmzettel und Wahlurne, welche jeder Bastler leicht selbst herstellen könnte. Auf der anderen Seite der Wahlcomputer. Doch die unüberhörbare Skepsis auf der Richterbank ließ vermuten, dass es in dem Wettbewerb einen Überraschungssieger geben wird: die herkömmliche Wahlpraxis. Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet.

Zuvorderst war es Rudolf Mellinghoff, federführender Richter in dem Verfahren, der mit seinen Fragen die Zweifel an den elektronischen Geräten nährte. Sein Streifzug durch andere Länder, in denen Wahlcomputer häufiger eingesetzt werden, zeigte: Mit der demokratischen Transparenz wie auch mit der rechnerischen Präzision ist es nicht weit her, wenn per Tastendruck statt auf dem Stimmzettel abgestimmt wird.

So hatte Irland seinen Beschluss zum Aufbau eines elektronischen Wahlsystems 2004 nochmals auf den Prüfstand gestellt und eine Expertenkommission eingesetzt. Diese kam zum Ergebnis, die Stimmzettelwahl sei dem Computer "mäßig überlegen".

Ähnlich die Niederlande: Nachdem eine Bürgerinitiative 2006 den Wahlcomputer "gehackt" hatte, beschloss der Ministerrat im Mai 2008 die Rückkehr zu Papier und Bleistift. Noch schlimmer in den USA: Bei den Vorwahlen in Ohio fiel ein Software-Fehler auf, der seit zehn Jahren im System steckte - in Wahlgeräten, die in 34 Bundesstaaten eingesetzt wurden.

Das Hauptargument der beiden Beschwerdeführer galt der Intransparenz der Datenverarbeitung im Inneren des Computers. Denn bei der herkömmlichen Urnenwahl kann der Bürger im Wahllokal anwesend sein, wenn die Stimmzettel ausgezählt werden. Was dagegen die Software aus einer Tastatureingabe macht, ob in der "elektronischen Urne" tatsächlich der Wählerwille ankommt - das entziehe sich den Blicken des demokratischen Souveräns, argumentierten die Rechtsprofessoren Wolfgang Löwer und Ulrich Karpen, die für die beiden Kläger auftraten.

Geklagt haben zwei Bürger mit einschlägigen Kenntnissen: Ulrich Wiesner, Angestellter einer Software-Firma, und sein Vater Joachim Wiesner, Politikwissenschaftler und Wahlbeobachter im Ausland. Die Geräte entsprächen nicht dem Stand der Technik, so Physiker Ulrich Wiesner.