960 Tage unterwegs Weltreise im Oldtimer endet in Berlin
Berlin (dpa) - „Hudo“ gluckst, rattert, röhrt - und riecht streng nach Benzin. So liebt Heidi Hetzer ihren Oldtimer, einen Hudson Greater Eight aus Detroit mit Holzspeichen-Felgen und Trockenkupplung mit unsynchronisiertem Drei-Gang-Getriebe.
Hetzer, langjährige Berliner Autohändlerin mit Promistatus, wird im Sommer 80. Ihr Auto „Hudo“ ist noch sieben Jahre älter. Zwei Jahre und sieben Monate lang sind sie zusammen um die Welt gefahren, mehr als 84 000 Kilometer kamen auf dem Tacho zusammen. An diesem Sonntag will Heidi Hetzer wieder zu Hause sein: um 12 Uhr mittags am Brandenburger Tor. „Hudo“ will hupen. Es klingt immer wie in einem alten Hollywood-Film.
Einen Empfang mit Hut wünscht sich die Heimkehrerin. „Viele Leute haben mir geschrieben: „Ich zieh' den Hut vor Ihnen““, sagte sie zuletzt im Interview mit der „B.Z“. „Dann sollen die das jetzt auch mal machen.“ Und: „Knutschen, knutschen, knutschen.“
Heidi Hetzer ist von Berlin aus durch Asien, Teile Australiens, Neuseelands, dann über Nord- und Südamerika bis ins südliche Afrika gefahren. Umarmungen hat sie manchmal schmerzlich vermisst. „Die Familie, das habe ich auf dieser Reise gelernt, ist das Allerwichtigste. Und die Freunde, die richtigen, echten Freunde“, schrieb sie in ihrem Blog. Bescheidener sei sie geworden auf ihrer Reise. Ihr Vorbild ist Clärenore Stinnes (1901-1990), die 1927 zwei Jahre lang mit einem Adler Standard 6 die Welt umrundete. Das war damals kein Oldtimer - aber die Straßen ungleich schlechter.
Ruhiger und nachdenklicher sei sie geworden, resümiert Heidi Hetzer. Und: „Man braucht ja so wenig.“ Sie ist temperamentvoll und schlagfertig. In ihrer Generation war es in der jungen Bundesrepublik eher ungewöhnlich, erst Automechanikerin zu lernen und über Jahrzehnte ein großes Autohaus zu führen. Daneben fuhr sie mit Leidenschaft Rallyes und ärgerte sich über „dämliche Damenpreise“. Dass ihr der Ruhestand nach dem Verkauf der Firma nicht reichen würde, sei ihren Kindern klar gewesen. „Wir haben geklärt, dass ich das Erbe einfach verballere.“
Dass es zwei Jahre und sieben Monate mit „Hudo“ werden würden, hat Hetzer beim Start am 27. Juli 2014 wohl nicht geahnt. Kein Beifahrer hielt durch. Der petrolfarbene Oldtimer schluckte 17 Liter auf 100 Kilometer, blieb liegen, verschliss Motoren und Ersatzteile. Heidi Hetzer hat ihm alles verziehen wie einem tattrigen Ehemann. „Hudo“ hat sie weder in der afrikanischen Wüste im Stich gelassen noch bei eiskalten Bergüberquerungen in Asien. In Laos hatte er es einmal nicht so richtig mit den Bremsen. „Bin ich halt langsamer gefahren“, sagt Hetzer.
Krisenregionen hat sie auf der ganzen Fahrt gemieden. „Ich bin allein als Mädel unterwegs. Wenn ich entführt würde und jemand will Lösegeld, wäre es mir wahnsinnig peinlich“, erklärte sie in Interviews. „Und wenn die Deutschen dann sagen würden, dass sie mit ihrem Steuergeld auch noch die Alte da rausholen müssen.“
Bei einer Autoreparatur verlor sie ein Stück eines Fingers, auch ein Backenzahn blieb auf der Strecke. „Hab ja noch genug Zähne“, kommentierte die Weltenbummlerin. Einmal musste sie wegen einer Krebs-OP aussteigen. Danach ging es einfach weiter. „Sie hat Benzin im Blut“, sagte ihr Chirurg dazu.
Hetzer schwärmt nun von Neuseeland, Namibia und Buenos Aires. Doch am meisten hat sie die Gastfreundschaft beeindruckt. Immer wieder ist sie eingeladen worden, manchmal wochenlang, vor allem von Oldtimerfreunden. Ja, man habe ihr die Handtasche geklaut und zweimal den Pass. Aber was heiße das schon - gerechnet auf mehr als 30 Monate?
„Die Leute wollen doch alle Frieden - und Freude“, sagt Heidi Hetzer. Gewundert habe sie sich oft. In Afrika parkte „Hudo“ nicht weit von einem Elefanten. „Aber alle Leute fotografierten mich. Der Elefant hat die gar nicht interessiert.“
Die Fotos der Kinder und Enkel klebten die ganze Zeit auf ihrem Armaturenbrett. Heidi Hetzer kann auch sentimental werden. „Ich schwirre so im luftleeren Raum herum und komme nirgends an“, schrieb sie einmal in ihrem Blog. „Ich habe ein Bett, aber kein Zuhause. Ich habe keine Arbeit, die mich mein Leben lang erfüllt hat. Der Sinn meiner Weltreise ist etwas vernebelt.“ Und manchmal hätte sie sich einfach jemanden gewünscht, mit dem sie sich an schöne Momente erinnern könne. „Hudo“ wird da wohl keine große Hilfe sein. Vielleicht kommt das Auto in ein Museum.
Ihren 80. will die Weltenbummlerin zu Hause feiern. Und dann? Mal sehen. „Ausruhen kann ich, wenn ich alt bin“, sagt Heidi Hetzer.