Auswanderung als Chance für Hummel-Arbeiterinnen
London (dpa) - Auch Arbeiterinnen von Insektenstaaten können sich fortpflanzen. Bislang galten sie als Beispiel für totale Unterordnung und absolute Selbstlosigkeit: Sie opfern ihre gesamte Energie für den Staat und damit für ihre nahen Verwandten, die Nachkommen der Königin.
Französische Forscher fanden nun, dass auch einfache Arbeiterinnen zumindest bei den Erdhummeln durchaus eine Chance haben können. Öfter als bisher angenommen wechseln sie in fremde Nester und vermehren sich dort sogar, wie das Team in den „Proceedings B“ der britischen Royal Society berichtet.
Pierre Blacher von der Universität Paris und Kollegen hatten das Verhalten von 665 individuell markierten Erdhummeln (Bombus terrestris) untersucht. Diese konnten zwischen einer Reihe kleiner künstlicher Nester auf dem Dach eines Laborgebäudes wählen. Ergebnis: Etwa jeder dritte Arbeiterin besuchte ein fremdes Nest, viele auch verschiedene Nester - und zuweilen blieben sie auch ganz in diesen Nachbarkolonien, ohne von den Einheimischen behindert oder attackiert zu werden.
Dieses Erkunden und eventuelle Wechseln in andere Nester hänge anscheinend mit der Fruchtbarkeit der Arbeiterinnen zusammen, schreibt Blacher, denn Hummeln sind nicht immer sexlose Arbeiterinnen. In einer frühen Phase der Koloniebildung sind sie durchaus fruchtbar, wandeln sich aber später mit zunehmender Größe der Kolonie zu reinen Helferinnen der allein fruchtbaren Königin.
Mit einem Trick erzeugte der Biologe in jeder Kolonie Arbeiterinnen verschiedener Fruchtbarkeit. Isolierte er die Tiere einige Tage in Gruppen zu drei Hummeln, so bildete sich eine Hierarchie heraus, in der das älteste Tier fruchtbarer wurde als die anderen beiden. Die fruchtbarsten der drei Tiere aber, so fand der Biologe, erwiesen sich auch als deutlich wechselfreudiger - sie besuchten um etwa 20 Prozent häufiger die fremden Versuchskolonien, und pflanzten sich dort auch häufiger fort. Die Forscher hatten 40 der eingewanderten Tiere bei der Eiablage beobachtet.
Dies zeige, dass die Fortpflanzungsstrategien der Hummeln viel flexibler seien als bisher geglaubt, folgert der Biologe. Arbeiterinnen könnten nicht nur fruchtbar sein, sondern es könne zu ihrer ganz eigenen Strategie gehören, ihr Glück in fremden Nestern zu suchen und dort ihre Gene einzubringen.