Belgische Forscher präsentieren Band im Knie
Löwen (dpa) - Chirurgen der belgischen Universität Löwen haben nach eigenen Angaben ein neues Körperteil entdeckt. Es handle sich um ein Band an der Außenseite des Knies, dessen Existenz bisher nur vermutet worden sei.
Dies teilte die Universität mit. Ein deutscher Arzt ist skeptisch.
Das sogenannte „Anterolaterale Ligament“ (ALL) sorge für die Stabilität des Knies, berichtete die Universität. Von Bedeutung sei der Nachweis dieses Bandes, weil nach Kreuzbandrissen - von denen Sportler ganz besonders oft betroffen sind - gelegentlich eine Instabilität im Knie auftrete: Das Bein rutsche dann manchmal weg. Dies habe die Kniechirurgen Prof. Johan Bellemans und Steven Claes nicht ruhen lassen. Ihrer Untersuchung zufolge sei oft nicht nur das Kreuzband, sondern auch das ALL-Band verletzt - und deshalb fehle dann seitliche Stabilität. Die Zeitung „Die Welt“ hatte zuerst davon berichtet.
Schon anno 1879 hatte der französische Chirurg Paul Ferdinand Segond geschrieben, es müsse da im Knie noch ein anderes straffes Band geben. Bellemans, der in Löwen gerne als „Knie-Guru“ apostrophiert wird, und Nachwuchsmediziner Claes (32) hätten nun als erste „eine umfassende anatomische Beschreibung des Bandes“ geliefert, heißt es in der Uni-Mitteilung. Sie untersuchten die Knie von 41 Leichen - und fanden bei 40 das „Anterolaterale Ligament“. Zudem hätten Untersuchungen ergeben, dass die Beschädigung dieses Bandes für das Wegrutschen des Beines nach Kreuzbandoperationen verantwortlich sei.
Innerhalb nur eines halben Jahres wäre dies nun schon das zweite spät entdeckte Körperteil des Menschen. Im Mai hatte der Brite Harminder Singh Dua, Professor für Augenheilkunde in Nottingham, die Fachwelt mit der Mitteilung überrascht, dass die Hornhaut des Auges nicht aus fünf, sondern sechs Schichten bestehe. Das Staunen war erkennbar ungläubig. Peter McDonnell, Chef des Johns Hopkins Wilmer Eye Institute, sprach von einem „provozierenden“ Bericht und meinte (nicht als einziger), man müsse nun abwarten, ob die „Dua-Schicht“ auch von anderen Wissenschaftlern nachgewiesen werden könne.
Nach der Präsentation des neuen Bandes im Knie zeigte sich auch der Schriftführer der deutschen Anatomischen Gesellschaft, Prof. Friedrich Paulsen von der Universität Erlangen, eher skeptisch. Zwar habe er die Veröffentlichung der beiden Belgier im „Journal of Anatomy“ noch nicht gelesen, doch könne er sich auf Anhieb „nicht vorstellen, dass da wirklich etwas ganz Neues gefunden wurde“. Es sei bekannt, dass das vordere und das hintere Kreuzband im Knie aus verschiedenen Teilen besteht. Und er wolle nicht ausschließen, „dass da im Grunde etwas, das schon bekannt ist, umbenannt worden ist“.
Hingegen wurde die britische Anatomische Gesellschaft von der Universität Löwen mit den Worten zitiert, die Forschungsergebnisse seien „sehr erfrischend“. Die medizinische Welt werde daran erinnert, dass „trotz hochentwickelter Technik unser Wissen über die Anatomie des menschlichen Körpers noch nicht vollständig ist“.
Nun wollen Claes und Bellemans erforschen, wie das Wissen um das „Anterolaterale Ligament“ im real existierenden Leben Nutzen bringen kann. Sie arbeiten laut Universität nun an chirurgischen Techniken, um Verletzungen dieses Bandes behandeln zu können. Dies könne „einen Durchbruch bei der Behandlung von schweren Kreuzbandverletzungen bedeuten“. Die Ergebnisse würden allerdings erst „in einigen Jahren“ erwartet.