Das ist die Pest: Wie der Erreger gefährlich wurde

Kopenhagen (dpa) - Die Pest plagt die Menschheit schon mindestens 3000 Jahre länger als bislang nachgewiesen. Die Erreger gab es bereits in der Bronzezeit und zwar vor knapp 5000 Jahren - weit vor den historisch belegten Epidemien.

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Dies berichtet ein internationales Forscherteam um Eske Willerslev von der Universität Kopenhagen im Fachblatt „Cell“. Allerdings war das Pest-Bakterium damals vermutlich noch weniger gefährlich für Menschen. Es erwarb erst deutlich später — im ersten Jahrtausend vor Christus — die Eigenschaft, Flöhe als Zwischenwirt zu nutzen und Pandemien der gefürchteten Beulenpest auszulösen.

Die Pest wird durch das Bakterium Yersinia pestis ausgelöst, das den Menschen, aber auch viele Tiere infizieren kann. Flöhe übertragen die Erreger von infizierten Tieren wie Ratten auf den Menschen. Auf diesem Weg wird die am weitesten verbreitete Beulenpest aber auch die Pestsepsis hervorgerufen. Letztere entsteht durch das Eindringen der Bakterien in die Blutbahn. Bei der Lungenpest gelangen die Erreger zumeist von einem zum anderen Menschen.

Die Forscher um Willerslev hatten in den Zähnen von 101 Menschen, die großteils in der Bronzezeit in Europa und Asien gelebt hatten, nach genetischen Spuren des Pest-Bakteriums gesucht. Die Zähne stammten von Ausgrabungen oder aus Museen. In sieben Individuen, die zwischen 2794 and 951 vor Christus gelebt hatten, wurden sie fündig. Die erste historisch belegte Pestepidemie ist nach Forscherangaben die Justinianische Pest, die im Jahr 541 nach Christus in Ägypten begann.

Die Wissenschaftler untersuchten anschließend 55 Gene genauer, die für die krankmachenden Eigenschaften des Bakteriums von besonderer Bedeutung sind. So konnten sie die Entwicklung des Bakteriums nachverfolgen. Dabei zeigte sich, dass dem frühen Pest-Erreger das ymt-Gen fehlte. Das Gen schützt das Bakterium im Darm von Flöhen. Die Forscher nehmen deshalb an, dass das Pest-Bakterium in der Frühzeit seiner Entwicklung noch nicht über Flöhe verbreitet wurde.

Erst ab dem Jahr 951 vor Christus ist dieses Gen in den untersuchten Pest-Bakterien nachzuweisen. Es entstand spät und verbreitete sich dann schnell, folgern die Forscher. Somit seien erst die späteren Erreger in der Lage gewesen, die über Flöhe verbreitete Beulenpest hervorzurufen.

Darüber hinaus veränderte sich das Erbgut der Erreger nach Angaben der Forscher im Laufe der Jahrhunderte so, dass sie dem Immunsystem ihrer Wirte immer besser entkommen konnten. Mit Beginn des ersten Jahrtausends vor Christus habe sich der Erreger von einem vergleichsweise harmlosen Bakterium zu einem der tödlichsten Keime verwandelt, auf den die Menschheit je getroffen ist, schreiben die Wissenschaftler. Allein im 14. Jahrhundert hat der Schwarze Tod nach WHO-Angaben schätzungsweise 50 Millionen Menschen das Leben gekostet.

Trotz ihrer vergleichsweise geringeren Gefährlichkeit waren die älteren Pest-Erreger nach Ansicht der Wissenschaftler möglicherweise für die in Europa und Asien jüngst festgestellten, großräumigen Bevölkerungsbewegungen in der Bronzezeit mitverantwortlich. Die Menschen könnten vor Pest-Ausbrüchen geflüchtet sein oder Gebiete neu besiedelt haben, in denen die Bevölkerung nach einer Epidemie stark dezimiert war.

„Die Studie ändert unsere Sichtweise darauf, wann und wie die Pest die menschlichen Populationen befallen hat und eröffnet neue Möglichkeiten, um die Evolution von Erkrankungen zu studieren“, sagte Studienleiter Willerslev.

„Die zugrundeliegenden evolutionären Mechanismen, die die Evolution von Y. pestis ermöglicht haben, sind heute noch wirksam. Und darüber mehr zu erfahren, wird uns helfen zu verstehen, wie künftige Erreger entstehen können oder wie ihre Gefährlichkeit zunimmt“, sagt Simon Rasmussen von der Technischen Universität Dänemark in Lyngby, der ebenfalls an der Studie beteiligt war.

Auch heute ist die Pest noch nicht besiegt, obwohl sie - rechtzeitig entdeckt - mit Antibiotika behandelt werden kann. 2013 zählte die Weltgesundheitsorganisation WHO weltweit 783 Erkrankte, 126 davon starben. Die drei am stärksten betroffenen Länder sind Madagaskar, Kongo und Peru.