Dezentrale Energieversorgung als Zukunftsmodell
Berlin (dpa) - Ob Biogas-Anlagen, Solarsysteme oder Speichermöglichkeiten: Umweltfreundliche Energieversorgung der Zukunft benötigt nach Einschätzung von Prof. Martina Schäfer (TU Berlin) verstärkt dezentrale Einheiten.
Vor allem in armen Ländern werde es darum gehen, Kommunen durch kleine und robuste Energieversorgungssysteme unabhängiger zu machen, sagte die Leiterin des Zentrums Technik und Gesellschaft Berlin. Auch reiche Länder könnten von dezentralen Modellen als Pionierlösungen profitieren.
In der nächsten Woche treffen sich an der TU rund 100 Experten zur ersten internationalen Konferenz über Mikroenergiesysteme. Das Spektrum reicht von Biokraftstoffen, Solarsystemen, Wasserkraft und Windenergie bis zu Speichermöglichkeiten für diverse Anwendungen.
„Das Problem ist sehr dringend: Immer noch haben in vielen afrikanischen und asiatischen Ländern 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung in ländlichen Gebieten keinen Zugang zu Strom. Wegen großer Entfernungen und hoher Kosten werden die Regierungen dort auch in absehbarer Zeit kaum flächendeckend Abhilfe schaffen können“, sagte Schäfer. Eine erste Bestandsaufnahme verschiedener dezentraler Projekte in unterschiedlichen Teilen der Welt zeige jedoch: „Nicht nur die Technik ist wichtig. Es müssen vor allem die Bedürfnisse und Lebensbedingungen der Nutzer berücksichtigt werden.“
So helfe die beste Mini-Solaranlage armen Haushalten wenig, wenn sie mangels angepasster Kreditbedingungen nicht finanzierbar sei, wenn Garantieleistungen zu früh abliefen, oder die Anlage nicht selbst zu reparieren sei. „Etwa, wenn spezielle Ersatzteile benötigt werden, die dann teuer aus weit entfernten Städten angeliefert werden müssen oder der Wartungsdienst in der Hauptstadt ansässig ist“, sagte Schäfer. „Das Gesamtpaket muss stimmen - ein Konzept, das wir in der Wissenschaft mit Produkt-Service-Systemen bezeichnen.“
Damit die Erkenntnisse rasch in die Praxis einfließen, tagen am kommenden Donnerstag und Freitag in Berlin Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft, ergänzt durch mögliche Förderinstitutionen wie dem Internationalen Büro des Bundesforschungsministeriums.
„Das Beispiel der rasanten Zunahme von großen Biogas-Anlagen zeigt, wie wichtig es auch in Deutschland ist, verschiedene Interessen unter einen Hut zu bekommen“, sagte Schäfer. Die positiven Effekte für den Klimaschutz dieser Anlagen werden der Expertin zufolge hierzulande dadurch geschmälert, dass die meisten Bauern vor allem Mais in Monokultur zur Verwertung anbauen. „Mais wächst zwar am schnellsten, braucht aber auch sehr viel Dünger und Pestizide. Was man auf der Seite des Klimaschutzes gewinnt, verliert man möglicherweise bei der Artenvielfalt und dem Grundwasserschutz. Es regt sich daher zunehmend Widerstand gegen solche Planungen.“
Schäfer hält Bio-Dörfer oder Bio-Regionen für „Modelle, die man sich genauer anschauen sollte“. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die Anwohner in die Komplettumstellung auf regenerative Energien direkt einbezogen und nicht mit Planungen von oben überrumpelt werden. Die Regionen profitieren durch Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen, die der Betreiber direkt vor Ort leistet. Fehlten diese positiven Effekte, weil etwa der Produzent der Wind- oder Solaranlagen hunderte Kilometer entfernt sitze, sei die Akzeptanz der Anwohner für neue Energieformen wesentlich geringer.