Ein Zungenbrecher hat ausgedient

Wort mit 63 Buchstaben verschwindet aus Gesetzestext.

Berlin. Selbst die Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaftskapitänswitwe sah neben ihm alt aus: Jetzt verschwindet das Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz aus dem mecklenburg-vorpommerischen Landesrecht — und aus den Herzen der Sprachwissenschaftler. Das Gesetz mit dem Kürzel „RkReÜAÜG“ galt jahrelang als längstes Wort der deutschen Sprache. Nun wird es nicht mehr gebraucht.

Der Schweriner Landtag beschloss das Gesetz mit dem vollen Namen „Rinderkennzeichnungs- und Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz“ aufzuheben. 1999 war es als Schutz der Verbraucher vor der Rinderseuche BSE eingeführt worden. Weil BSE-Tests für Rinder an Schlachthöfen auf Vorschlag der EU nun entfallen, fällt auch die Notwendigkeit für das sechs Paragrafen umfassende Gesetz mit den 63 Buchstaben weg.

Fernab der Seuche ist das Gesetz längst woanders zu einem Phänomen geworden: in der Sprachwissenschaft. „Das derzeit längste authentische Wort im deutschen Sprachgebrauch ist dieses Gesetz“, berichtete der Berliner Sprachforscher Anatol Stefanowitsch noch vor wenigen Wochen. Sprachwissenschaftler berücksichtigen nur Wörter, die wirklich schon einmal in veröffentlichten Texten verwendet wurden — und das wurde „RkReÜAÜG“ bis zuletzt.

Durch die deutsche Liebe zu komplexen Verordnungen und Gesetzen entstehen Stefanowitsch zufolge immer wieder neue solcher Bandwurmwörter. „Die meisten richtig langen Worte stammen meistens aus Gesetzestexten.“ Aber auch chemische Fachbegriffe seien manchmal von rekordverdächtiger Länge.

In den Duden schaffte es das Gesetz dagegen nie, berichtet Nicole Weiffen vom Duden-Verlag. Der Auswahl neuer Wörter gehe ein komplexes Prozedere voraus, in dem geprüft werde, ob ein Wort mit gewisser Häufigkeit im deutschen Sprachgebrauch auftauche. Duden-Spitzenreiter ist derzeit mit 36 Buchstaben die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung. Das Gesetz aus Mecklenburg-Vorpommern habe es dagegen nie in den täglichen Sprachgebrauch geschafft — verständlich, findet Weiffen: „Lange Wörter sind einfach unbequem.“