Genetiker kommen den Ursprüngen der Lepra auf die Spur
Tübingen/Washington (dpa) - Im Mittelalter hat Lepra das Leben unzähliger Menschen zerstört. Jetzt haben Forscher das Erbgut des Erregers beleuchtet. Die Hoffnungen sind groß, denn noch immer leiden weltweit Millionen Menschen daran.
Forscher haben erstmals das gesamte Erbgut von mittelalterlichen Lepra-Bakterien entziffert und festgestellt, dass es sich über Jahrhunderte kaum verändert hat. Zugleich kamen sie dem Ursprung der Krankheit näher. Denn die Analyse habe gezeigt, dass viele der Bakterien auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückgehen, der vor 4000 Jahren lebte, berichtete das Team um den Tübinger Evolutionsgenetiker Johannes Krause im Journal „Sciencexpress“. An Lepra erkranken heute weltweit noch immer weit mehr als 200 000 Menschen pro Jahr. Deshalb ist vor allem in Indien das Interesse an der Lepra-Forschung sehr groß.
Das Forscherteam hat fünf sehr gut erhaltene mittelalterliche Skelette sowie aktuelle Proben von lebenden Lepra-Kranken untersucht. Dabei sei es zum ersten Mal gelungen, komplette Genome des Erregers Mykobakterium leprae aus unterschiedlichen Epochen zu rekonstruieren, schreiben die Forscher.
Die Erkenntnis, dass es im Erbgut des Erregers über Jahrtausende hinweg kaum Mutationen gegeben habe, lasse Rückschlüsse auf die Krankheit zu, sagte Krause. So könne man nun recht sicher sagen, dass die Lepra über die Jahrtausende hinweg relativ gleichmäßig verbreitet war - anders als etwa die Pest, der Schwarze Tod, die in mehreren Pandemien aufgetreten ist.
Dass Lepra trotzdem vor allem im Mittelalter weit verbreitet war, sei nicht auf den Krankheitserreger, sondern auf die veränderten Lebensumstände der Menschen zurückzuführen. So habe die Ausbreitung zugenommen, als die Menschen im 10. Jahrhundert in immer größeren Siedlungen zusammenlebten. Im 14. Jahrhundert sei die Krankheit dann durch bessere Hygienestandards eingedämmt worden, sagte Krause.
Bei der Forschung am Lepra-Genom sei auch klar geworden, dass die DNA von Bakterien selbst unter ungünstigen Umweltbedingungen viel länger erhalten bleibe als die von Säugetieren. „Damit sollte es möglich sein, die Krankheit bis in ihre prähistorischen Ursprünge zurückzuverfolgen“, sagte Krause. Das könne auch für die Medizin relevant sein. Wenn man wisse, wie schnell Bakterien mutieren, dann könne man auch abschätzen, wie schnell sie etwa resistent gegen neue Antibiotika werden.
Ob es nun Forschungsprojekte geben werde, die versuchen, die DNA-Entschlüsselung des Lepra-Erregers für die Medizin nutzbar zu machen, sei noch unklar, sagte der Professor. Er hält es etwa für denkbar, dass man mit Hilfe einfacher DNA-Analysen für jeden Patienten das am besten passende Antibiotikum ermitteln könnte.
Durch Lepra leben nach Angaben der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) weltweit bis zu vier Millionen Menschen mit Verstümmelungen. Die meisten gibt es in Indien, aber auch in Afrika und Brasilien tritt die Krankheit auf. Lepra ist zwar heilbar, viele Menschen haben aber keinen Zugang zu wirksamen Medikamenten. Diese könnten die Lepra-Erreger in 6 bis 18 Monaten vollständig abtöten.