Leitlinie soll Diagnose von Alkoholschäden bei Kindern erleichtern
Berlin (dpa) - Alkohol in der Schwangerschaft verursacht bei etwa 2000 bis 4000 Babys jährlich schwere Entwicklungsstörungen.
Vor allem Pflege- und Adoptiveltern, aber auch Ärzte konnten die Behinderungen nach Angaben der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP), bislang oft nur schwer und spät deuten. Eine Leitlinie soll Ärzten nun eine schnellere Diagnose des Fetalen Alkoholsyndroms (FAS) erleichtern. Es gilt als häufigste Ursache für eine angeborene Behinderung.
Für die betroffenen Familien sei die Leitlinie eine Erleichterung, sagte Dyckmans am Montag bei der Präsentation in Berlin. Die Vorsitzende der Patientenvertretung FASD Deutschland, Gisela Michalowski, bezeichnete sie als „großen Meilenstein“. Sie ermögliche nun eine flächendeckende Diagnostik.
Zu den FAS-Kriterien zählen Auffälligkeiten im Wachstum und im Gesicht. Die Babys seien oft zu klein und zu leicht, sagte die Münchner Ärztin, Psychologin und Mitautorin der Leitlinie, Mirjam Landgraf. Weitere Zeichen seien das Fehlen der Rinne zwischen Nase und Oberlippe sowie eine schmale Oberlippe. Schwerwiegender seien Störungen im Zentralnervensystem, die zu verminderter Intelligenz, zu Problemen bei der Sprache oder der Lern- und Merkfähigkeit führen könnten.
Durch eine schnelle Diagnose könnten Eltern sich von Anfang an auf die Behinderungen einstellen und Hilfe organisieren, sagte Dyckmans. Auch für Kindergärten und Schulen sei der Förderbedarf eher einschätzbar und die Jugend- und Versorgungsämter könnten den genauen Leistungsbedarf besser bewilligen. „Da FAS nicht heilbar ist und sich auch nicht auswächst, sind die Menschen mit FAS ihr Leben lang auf Unterstützung angewiesen“, so Michalowski. Sie hoffe, dass die Behinderung jetzt gesellschaftlich anerkannter werde. FAS-Kinder würden oft als faul, lernunwillig und kriminell abgestempelt.
Alkoholkonsum während der Schwangerschaft verursache neben FAS ein weites Spektrum von Störungen, die scheinbar milder seien, ergänzte Leitlinien-Mitautor Prof. Florian Heinen. Aber auch diese Störungen seien für die spätere Entwicklung, etwa die Berufsfähigkeit, gravierend. Die Zahl der Betroffenen sei 10 bis 20 Mal höher als die der FAS-Kranken. „Wir reden hier nicht über eine ganz minimale Interessengruppe“, betonte er. Ab wann Alkohol Ungeborenen schade, lasse sich nicht genau sagen. Am besten sei es, ganz darauf zu verzichten. „Es ist wirklich diejenige Behinderung, die wir zu 100 Prozent verhindern können“, betonte Heinen mit Blick auf FAS.