Monogamie bei Primaten soll Kindstötungen verhindern
Washington (dpa) - Ein Viertel aller Primatenarten - einschließlich des Menschen - lebt monogam. Aber warum? Forscher sagen: Monogamie hat sich bei Menschen und einigen anderen Primaten im Verlauf der Evolution vermutlich entwickelt, um Kindstötungen zu vermeiden.
In einer festen Zweierbeziehung kümmerten sich die männlichen Partner nicht nur mit um den Nachwuchs, sondern beschützten ihn auch vor anderen Männchen, berichten Forscher in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften. Für die Weibchen bedeutet dies auch, dass sie schneller wieder trächtig werden können.
Monogamie ist bei Vögeln sehr verbreitet, unter Säugetieren hingegen eher selten. Denn bei diesen Tieren wachsen die Jungen im Mutterleib heran und auch nach der Geburt sind sie durch das Stillen noch lange von ihrer Mutter abhängig. Die Väter können in dieser Zeit, in der das Weibchen auch nicht erneut schwanger werden kann, andere Partnerinnen suchen.
Bei etwa einem Viertel aller Primatenarten hat sich dennoch eine soziale Monogamie entwickelt. Über die Gründe dafür diskutieren Forscher seit langem. Soziale Monogamie bedeutet, dass die Partner in einer Zweierbeziehung leben und sich gemeinsam um den Nachwuchs kümmern, auch wenn andere sexuelle Kontakte vorkommen können.
Das Team um Christopher Opie vom britischen University College London hat nun von 230 Primatenarten zahlreiche Angaben über das Verhalten zusammengetragen, etwa in welcher Beziehung die Partner zusammenleben, wer den Nachwuchs versorgt oder wie hoch die Zahl der Kindstötungen in der Population ist.
Sie setzten diese Angaben in Beziehung zu einem Stammbaum der Arten, aus dem die Verwandtschaftsverhältnisse hervorgehen. So bekamen sie Hinweise, welches Verhalten im Verlauf der Evolution zuerst entstanden ist.
Die Forscher fanden heraus, dass die Kindstötungen in einer Population der stärkste Motor für die Entwicklung von Monogamie sind. Männchen töten den Nachwuchs anderer Männchen, damit die Weibchen schneller wieder empfängnisbereit sind. In einer monogamen Beziehung kann der Vater seinen Nachwuchs vor solchen Angriffen schützen.
Werden die Kosten für die Aufzucht des Nachwuchses unter den Eltern geteilt, haben die Mütter mehr Ressourcen für das Stillen, wie die Forscher weiter erläutern. Dies wiederum verkürze die Stillzeit, wodurch die Weibchen schneller wieder schwanger werden können. Davon profitierten auch die treuen Männchen.
Bei vielen Primatenarten ist die Kindheit, also die Abhängigkeit des Nachwuchses von den Eltern, lang: unter anderem deshalb, weil das oft große Gehirn der Primaten lange Zeit zur Entwicklung benötigt. Mitsorgende Väter ermöglichten diese lange Kindheit und die lange Entwicklungszeit des Gehirns. Auch beim Menschen habe die Monogamie vermutlich zur Entstehung des komplexen Gehirns beigetragen.
„Dies ist das erste Mal, dass die verschiedenen Theorien zur Entstehung von Monogamie systematisch getestet wurden und die Untersuchung zeigt schlüssig, dass die Kindstötungen dafür die Ursache sind“, sagt Christopher Opie. „Das bringt eine langanhaltende Debatte über den Ursprung der Monogamie bei Primaten zum Abschluss.“