Nobelpreisträger Higgs: „Es ist nett, recht zu haben“

Die Wissenschaft zweifelte lange an dem Higgs-Teilchen. Am Dienstag bekam der Brite für seine Entdeckung den Physik-Nobelpreis.

London. Lange Zeit war der Name Peter Higgs nicht sehr weit über die Physiker-Szene hinaus bekannt. Doch bereits 1964 hatte er die Existenz eines entscheidenden Bausteins der Materie vorhergesagt — eine Antwort auf Goethes Frage im „Faust“, was die Welt im Innersten zusammenhält. Fast zeitgleich hatten das auch andere Physiker postuliert. Etwa 50 Jahre mussten sie warten, bis der Beweis für die These angetreten werden konnte. In diesem Jahr endlich — mit 84 Jahren — bekommt Higgs den Physik-Nobelpreis gemeinsam mit dem 80 Jahre alten Belgier François Englert für die Vorhersage des Higgs-Teilchens.

Der stille Forscher aus Schottland hatte den Trubel um die Preisvergabe geahnt. Medien hatten ihn seit Wochen als Favoriten gehandelt. Er suchte offenbar das Weite. Selbst das Nobelpreiskomitee konnte ihn zunächst nicht erreichen, um ihm die frohe Botschaft telefonisch zu überbringen. Nur kurze Zeit nach der zweimal verschobenen Bekanntgabe war am Dienstag das Band seines Anrufbeantworters in seiner Wohnung in Edinburgh vollgelaufen. „Ich hoffe, dass diese Anerkennung für die Grundlagenforschung das Bewusstsein für den Wert des Forschens ins Blaue hinein schärft“, hieß es lediglich in einem Statement von Higgs.

„Still genießend“ soll Higgs auch die Nachricht zur Kenntnis genommen haben, die Ende 2011 aus dem Europäischen Kernforschungszentrum Cern zu ihm drang. Seine Kollegen in Genf hatten ein Teilchen nachgewiesen, bei dem es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um das Higgs-Teilchen handelte. Als ein halbes Jahr später die Existenz eines Teilchens mit den Eigenschaften bei einem spannungsgeladenen Seminar verkündet wurde, wischte sich Higgs Tränen aus den Augen.

Das Higgs-Teilchens gilt als eine der größten Entdeckungen in den vergangenen 50 Jahren. Es war das fehlende Puzzlestück im Standardmodell vom Aufbau der Materie. Higgs war als junger Forscher an der Universität in Edinburgh tätig, als ihm seine revolutionäre „Eingebung“ kam. Während einer Wanderung in den Bergen des schottischen Hochlands sei er dem Teilchen auf die Spur gekommen. Nicht sofort wurde ihm Glauben geschenkt. Sein erster Aufsatz zum Thema wurde in den vom Cern herausgegebenen „Physics Letters“ nicht einmal abgedruckt. Später gab das Cern Milliardenbeträge aus, um seine Theorie zu verifizieren. Der überarbeitete Aufsatz wurde schließlich 1964 im Konkurrenzblatt „Physical Review Letters“ veröffentlicht.

Der Begriff „Gottesteilchen“ war Higgs übrigens stets zuwider. „Mein Modell hat nichts mit Gott zu tun“, pflegt er unter Kollegen zu sagen. Eine Haltung legt er immer zutage, auch eine politische. 2004 etwa blieb er der Preisverleihung für den Wolf-Preis in Jerusalem fern — eine der prestigeträchtigsten Auszeichnungen in der Physik. Er werde nicht nach Israel reisen, aus Protest gegen die Palästinenser-Politik der Regierung.

Bezüglich seiner Entdeckung blieb der Familienmensch und zweifache Vater Higgs stets bescheiden. „Ich dachte nicht, dass es Zeit meines Lebens noch passiert“, sagte er jüngst in einem Interview. Die Lage habe sich geändert, als die großen Teilchenbeschleuniger gebaut wurden. „Manchmal ist es nett, recht zu haben“, fügte er hinzu.