Rituelle Massenschlachtungen bei Kropfgazellen

Washington (dpa) - Rituelle Massenschlachtungen haben womöglich zum „Beinahe-Aussterben“ der Kropfgazellen im östlichen Mittelmeerraum beigetragen. Dies vermuten Wissenschaftler nach der Untersuchung einer Fanganlage im Nordosten Syriens, in der vor etwa 6000 Jahren eine Gazellenherde getötet wurde.

Die Jagdpraktik, die Steinmalereien zufolge religiösen Charakter gehabt habe, sei in der Jungsteinzeit verbreitet gewesen. Dadurch seien die Gazellen-Bestände vermutlich schon drastisch reduziert worden, bevor die Jagd mit Schusswaffen diese Tiere endgültig an den Rand des Aussterbens brachte. Die Forscher präsentieren ihre Untersuchung in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften.

Bei den Fanganlagen, auch Wüstendrachen genannt, handelt es sich um teils mehrere Kilometer lange Steinmauern, die umherziehende Tierherden einkesseln. Hunderte dieser Anlagen finden sich in der Levante, der östlichen Küste des Mittelmeerraumes. Forscher nehmen an, dass die Anlagen bis vor etwa 3000 Jahren in Gebrauch waren. Da aber nur wenige tierische Überreste oder andere Fundstücke in und um die Anlagen herum gefunden wurden, war bislang über die Nutzung der Wüstendrachen und ihre Bedeutung für die Menschen wenig bekannt.

Guy Bar-Oz von der israelischen Universität von Haifa und seine Mitarbeiter untersuchten nun eine Fundstätte in Tell Kuran im Nordosten Syriens. Dort wurden unzählige Knochenreste von Kropfgazellen gefunden - wahrscheinlich handelt es sich um eine komplette Herde. Die Forscher fanden heraus, dass die Tiere gehäutet und die wertlosen Knochen sowie die Häute entsorgt wurden.

Knochenspuren wiesen daraufhin, dass die Verarbeitung der Tiere einige Zeit in Anspruch genommen habe. So sei bei einigen Gazellen zum Zeitpunkt der Häutung die Totenstarre bereits eingetreten. Dies spreche ebenfalls dafür, dass eine ganze Herde getötet und dann nach und nach verarbeitet wurde. In der näheren Umgebung der Fundstätte befänden sich viele Fanganlagen. Steinmalereien aus der Region zeigten die Anlagen und wie darin, zum Teil mit Hilfe von Hunden, Gazellen gefangenen wurden. Die Menschen trugen religiöse Symbole, was vermuten lasse, dass es sich um eine rituelle Tötung handele.

In dem Zeitraum, in dem die Anlagen genutzt wurden, waren die Menschen zur Deckung ihres Nahrungsbedarfes nicht mehr auf Wildtiere angewiesen, da sie bereits Tiere domestiziert hatten, wie die Forscher schreiben. Die Fanganlagen seien entlang der Wanderstrecken der Gazellen angelegt worden. Das Wegfangen ganzer Herden habe nicht nur die Bestände dezimiert, sondern auch die Populationen voneinander getrennt und die Art so weiter geschwächt. Die Einführung von Schusswaffen habe dann im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts in einigen Regionen zum vollständigen Aussterben der Gazellen geführt. Kropfgazellen, die eine knorpelartige Verdickung am Hals haben, sind heute auf der Roten Liste als „gefährdet“ eingestuft.