Rollstühle lassen sich mit Ohrmuskeln lenken
Göttingen (dpa) - Mit Hilfe der Ohren können Menschen Rollstühle steuern. Das haben Wissenschaftler aus Göttingen, Heidelberg und Karlsruhe nachgewiesen. Sie hoffen, dass dadurch Querschnittsgelähmte, die Beine und Arme nicht mehr bewegen können, mobiler werden.
Als neuartige Mensch-Maschine-Schnittstelle diente in den Versuchen ein kleiner Chip hinter dem Ohr, der die Muskelsignale aufzeichnet und per Funk an einen speziellen Rollstuhl überträgt, berichtete die Universitätsmedizin Göttingen.
Ein erster Test mit zehn gesunden Teilnehmern sei vielversprechend verlaufen, sagte Projektleiter David Liebetanz. Die Teilnehmer hatten zuvor den gezielten Einsatz der Ohrmuskulatur mit einer eigens entwickelten Trainingssoftware geübt. Anschließend konnten sie nur mit der Ohrsteuerung im Rollstuhl durch das Testgelände fahren.
Liebetanz geht davon aus, dass alle Menschen lernen können, ihre Ohrenmuskeln willentlich zu aktivieren. Bei entsprechendem Training sei auch die Feinsteuerung eines Rollstuhls möglich. „Offensichtlich handelt es sich um eine Fertigkeit, die innerhalb kurzer Zeit erlernt werden kann, etwa wie das Jonglieren mit drei Bällen“, erläuterte die Psychologin Leonie Schmalfuß von der Klinik für Klinische Neurophysiologie. Sie führte das Training in Göttingen durch.
„Im Gegensatz zu bereits bestehenden Steuerungen, die zum Beispiel über die Atmung oder über Blickbewegungen funktionieren, müssten die Patienten bei der Ohrmuskelsteuerung nicht auf gleichzeitige soziale Interaktion verzichten“, erläuterte Liebetanz.
Die Forscher wollen jetzt ein implantierbares System entwickeln, das dann nicht nur mit einem Rollstuhl, sondern auch mit einer Armprothese oder einem Computer verbunden werden kann.