Spirale im All: Satellit aus Bremen soll Schiffe besser orten
Bremen (dpa) - Big Brother auf dem Meer - das ist heute noch Zukunftsmusik. Das Interesse daran ist aber groß. Denn eine lückenlose Überwachung der Seewege könnte zum Beispiel Piraten oder Umweltsündern Einhalt gebieten.
Dabei soll nun ein neuer Satellit aus Bremen helfen.
Auf einer Länge von vier Metern windet sich die Spirale auf dem Tisch. Im Vergleich zu dieser großen Antenne wirkt der Rest des Satelliten fast unscheinbar. „Wir sagen eigentlich auch, das ist eine fliegende Antenne“, sagt Tom Spröwitz, Ingenieur vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bremen. Mit zwei Fingern hebt er die riesige Spirale locker an. Ultraleicht ist sie - trotz ihrer Ausmaße. Das ist bei ihrer Mission entscheidend. Sie soll die Überwachung von Schiffen aus dem Weltraum deutlich verbessern.
Der Forschungssatellit „AISat“ soll künftig Signale des automatischen Identifikationssystems (AIS) empfangen, das fast alle Seeschiffe nach internationalen Vorschriften an Bord haben müssen. Es verwendet UKW-Frequenzen und reicht etwa 20 Seemeilen weit. Beim Empfang über Satelliten gibt es aber noch Schwierigkeiten, vor allem in dicht befahrenen Gebieten. „In der Nordsee sind so viele Schiffe mit AIS unterwegs, dass sich die Signale überlagern und nichts mehr erkennbar ist“, erläutert Ralf-Dieter Preuß vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg.
Das liegt daran, dass herkömmliche Satelliten meist ungerichtete Kupferantennen haben. Diese erfassen einen Bereich mit einem Durchmesser von 6000 Kilometern. Der in Bremen entwickelte Satellit soll dagegen viel präziser arbeiten. Möglich macht das die helixförmige Antenne. „Sie reduziert den Bereich auf einen Durchmesser von 750 Kilometern“, sagt DLR-Projektleiter Jörg Behrens.
Vier Jahre haben er und seine Kollegen an der Konstruktion getüftelt und etwa eine Million Euro in die Entwicklung investiert. Mit Helix-Antennen sind bisher nur wenige Nachrichtensatelliten ausgerüstet - allerdings mit viel kleineren als die Bremen Konstruktion. „In der Größe und für diesen Einsatz ist das einzigartig“, sagt Behrens. „Die Antenne aufzubauen, hat uns eine Menge Kopfzerbrechen bereitet.“ Denn sie durfte nicht zu schwer werden und musste zugleich stabil sein.
Verschiedene Materialien haben die Forscher in Schwerelosigkeit getestet. Dann entschieden sie sich für kohlenstofffaserverstärkten Kunststoff mit einer Kupferhülle. Dadurch wiegt die Antenne gerade mal 800 Gramm, der Satellit insgesamt kommt auf 13 Kilo. Zurzeit laufen am DLR die letzten Tests. Im Juni soll „AISat“ fertig sein. Ende des Jahres oder Anfang 2014 wird er an Bord einer indischen Rakete ins All starten. Über mehrere Monate soll er in 650 Kilometern Höhe verschiedene Tests fliegen und seine Daten an zwei Bodenstationen, eine in Bremen und eine in Nordkanada, senden.
Es gibt ambitionierte Ziele für Satelliten-Aufklärung auf dem Meer: mögliche Terroristen überwachen, von Piraten gekaperte Schiffe aufspüren oder Umweltsünder auf See entlarven - bei allem könnte auch „AISat“ in Zukunft vielleicht helfen. „Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 gibt es verstärkt Rufe nach einer lückenlosen Überwachung des Schiffsverkehrs“, sagt Experte Preuß. AIS ist dafür aber eigentlich nicht gedacht. Er soll vor allem verhindern, dass Schiffe zusammenstoßen.
Dafür ist ein Empfang über Satellit bisher noch nicht notwendig. Es reicht, wenn die Schiffe untereinander und mit der Küste kommunizieren können. Deshalb führte die Internationale Seeschifffahrtsorganisation auf Initiative der USA vor einigen Jahren das LRIT-System ein, über das Schiffe alle sechs Stunden ihre Position an weltweit vernetzte Datenbanken melden müssen. International forschen aber zurzeit viele daran, wie es durch AIS ersetzt werden könnte. „Es wäre preiswerter, und man hätte die Infos ständig zur Verfügung“, sagt Preuß.
Ob „AISat“ dafür infrage käme, werden die Bremer Forscher erst im Laufe des kommenden Jahres wissen - wenn ihr Satellit im All ist. Das Interesse an ihrem Projekt ist allerdings jetzt schon groß. Die Bundesregierung hat für ein Forschungsprojekt zur maritimen Sicherheit weitere Satelliten eingeplant. Auch aus Dänemark gab es schon Anfragen.