Streit um Supervirus: USA fürchten Bioterrorismus
New York (dpa) - Terrorangst vor einem neuen Erreger: Die US-Regierung hat an Forscher und Fachjournale appelliert, Daten über ein im Labor entwickeltes Supervirus unter Verschluss zu halten.
Das bestätigte das US-Journal „Science“ am Mittwochabend (Ortszeit). Bei dem überaus gefährlichen und hochansteckenden Virus handelt es sich um eine Variante des Vogelgrippe-Erregers H5N1. Washington fürchtet, dass Terroristen mit dem neuen Virus Biowaffen bauen könnten.
Der Vorgang ist einzigartig. Noch nie zuvor habe sich die US-Regierung in die Veröffentlichung einer Studie eingeschaltet und Geheimhaltung empfohlen, erklärte „Science“-Chefredakteur Bruce Alberts. Üblich ist, dass Forscher alle Einzelheiten auf den Tisch legen, damit Kollegen die Studie wiederholen und ihr Ergebnis überprüfen können. Stattdessen schlug der Beraterausschuss für Biosicherheit (NSABB) im US-Gesundheitsministerium „Science“ jetzt vor, die Experimente der SDtudie nicht detailliert zu beschreiben.
Die Viren wurden von Ron Fouchier an der Erasmus Universität in Rotterdam und Yoshihiro Kawaoka an der US-Universität von Wisconsin hergestellt. Fouchier hatte bereits im September auf Malta über sein neues Vogelgrippe-Virus gesprochen. Es habe nur weniger Mutationen bedurft, um den Erreger hochansteckend zu machen, sagte er damals.
Der Chef des Erasmus-Instituts für Virologie in Rotterdam, Professor Albert Osterhaus, hält es jedoch für unwahrscheinlich, dass die neue Variante des H5N1-Virus in die Hände von Terroristen gelangen könnte. „Die Sicherheitsmaßnahmen, die wir unternommen haben, sind von allen Seiten überprüft worden, die sind so, dass das eigentlich unmöglich ist“, sagte Osterhaus am Donnerstag im RBB-Inforadio und versicherte zugleich: „Wir haben beschlossen, dass wir nicht die ganze Geschichte publizieren werden, sondern nur, dass es gelungen ist, so ein Virus zu produzieren. Die wirklichen Mutationen geben wir aber nicht preis.“
Die Nationalen Gesundheitsforschungsinstitute (NIH) der USA in Bethesda hatten die Studien finanziert, um die Infektionsgefahr des H5N1-Virus besser einschätzen und Vorbeugung treffen zu können. Beide Arbeiten hätten gezeigt, dass das Infektionspotenzial des Virus für Säugetiere - Menschen eingeschlossen - deutlich größer ist als bisher angenommen, teilten die NIH jetzt mit.
Auch die beiden Forscher verteidigen sich damit, dass ihre Arbeit die Suche nach Impfstoffen und anderen Mitteln gegen das Supervirus fördert. Fouchier hat sein Papier derweil überarbeitet und kritische Daten herausgenommen, bestätigte „Science“. Der Chefredakteur von „Nature“, Philip Campbell, teilte mit, dass er derzeit mit dem Beraterausschuss für Biosicherheit im Gesundheitsministerium über die Veröffentlichung der Studie aus Wisconsin verhandele.
Virenforscher Osterhaus sagte dem Sender RBB weiter, die Forschung in dem Bereich sei wichtig, um mehr über gefährliche Mutationen der Viren in Hühnern zu erfahren und früh Impfstoffe produzieren zu können. „Wir glauben, dass es da ein Problem mit Bio-Terroristen gibt, aber wir glauben auch, dass die größte Bio-Terroristin die Natur selbst ist.“