Zahnstein verrät: Vorfahren hatten detailliertes Pflanzenwissen
York (dpa) - Aus uraltem Zahnstein haben Wissenschaftler Informationen über die Ernährung und die Lebensbedingungen unserer Vorfahren gewonnen.
Der mehrere Tausend Jahre alte Belag verriet, dass die Menschen reichlich Pflanzenkost verzehrten - und zwar schon bevor sie aktiv Landwirtschaft betrieben. Zum Teil aßen sie die Pflanzen roh, zum Teil kochten und rösteten sie sie aber auch, berichtet das internationale Forscherteam im Journal „PLOS ONE“. Sie liebten den Analysen zufolge vor allem Nussgras.
Wie viel die frühen Menschen über Pflanzen wussten, ob sie deren Heilwirkungen gekannt haben oder ob sie diese schon vor der Entwicklung landwirtschaftlicher Anbauweisen regelmäßig verzehrt haben - das alles ist weitgehend unklar, schreiben die Wissenschaftler um Stephen Buckley von der britischen Universität von York. Sie untersuchten nun 14 Skelette aus einer Begräbnisstätte im heutigen Sudan, die über Jahrtausende genutzt wurde. Genauer gesagt: Sie analysierten die chemische Zusammensetzung des Zahnsteins und winzige Einschlüsse darin, sogenannte Mikrofossilien.
Schon in der Mittelsteinzeit verzehrten die Menschen der Analyse zufolge reichlich Pflanzen. Das chemische Profil wies vor allem auf Cyperus rotundus (Nussgrass) hin. Spuren dieser Pflanze fanden die Forscher im Zahnschmelz der Skelette von der Mittelsteinzeit etwa 6700 Jahre vor Christus bis in die Zeit um etwa 400 nach Christus, als die Menschen schon Landwirtschaft betrieben.
Nussgras ist ursprünglich in Afrika, Süd- und Zentraleuropa sowie in Südasien heimisch. Mittlerweile ist es allerdings fast überall in gemäßigten und tropischen Regionen zu finden. Vielerorts wird es als Unkraut bekämpft. Die Pflanze ist reich an Kohlenhydraten, sehr aromatisch und wird traditionell in der Pflanzenheilkunde verwendet.
Vermutlich erklärt der prähistorische Verzehr der Pflanze auch, warum die Menschen im Niltal so außergewöhnlich wenige Löcher in ihren Zähnen hatten, berichten die Wissenschaftler. Nussgras hemmt das Bakterium Streptococcus mutans, einen häufigen Karies-Verursacher.
Die Forscher fanden außerdem chemische Hinweise darauf, dass die Pflanzen gekocht oder im Feuer zubereitet wurden. Die Menschen haben die Pflanzen aber vermutlich nicht nur gegessen, sondern auch als Rohmaterial bei der Herstellung von Gegenständen genutzt und dabei mit den Zähnen festgehalten oder bearbeitet.
„Diese kleinen biografischen Details ergänzen die zunehmenden Hinweise darauf, dass prähistorische Menschen schon lange vor der Entwicklung der Landwirtschaft ein detailliertes Verständnis von Pflanzen hatten“, erklärt die Erstautorin Karen Hardy vom Katalanischen Institut für Forschung und fortgeschrittene Studien (ICREA) im spanischen Barcelona.
„Durch die Analyse von Zahnstein verfügen wir über eine neue Möglichkeit, um herauszufinden, welche Pflanzen verzehrt wurden. Das wird die Auffassung darüber, was die prähistorischen und vorlandwirtschaftlichen Völker über die Pflanzen und deren Nutzung wussten, erweitern, wenn nicht revolutionieren.“