Wulff warnt vor Mythos um Friedrich dem Großen
Berlin (dpa) - Zum 300. Geburtstag von Friedrich dem Großen hat Bundespräsident Christian Wulff davor gewarnt, den preußischen Monarchen zu einem Mythos zu stilisieren. Friedrich II. (1712-1786) sei bereit gewesen, in Kriegen tausende Menschen seiner Leseart von Vaterland und Ehre zu opfern.
Kein Preis sei ihm zu hoch gewesen, „wenn es um vermeintlich ruhmreiche Siege ging“, sagte Wulff bei einem Festakt für den Monarchen im Berliner Konzerthaus am Dienstag.
„Heute fühlen und handeln wir anders. Nicht der Staat und seine Expansion, sondern der einzelne Mensch und sein Wohlergehen stehen im Mittelpunkt“, sagte Wulff. „Fast zweihundert Jahre lang eckte man mit solchen Äußerungen an: Friedrich wurde als Großer und Einziger glorifiziert, von den Nationalsozialisten als Ikone missbraucht“, sagte der Bundespräsident. „Nach 1945 stürzte er tief, fast bis in die Bedeutungslosigkeit. Er wurde zur Persona non grata.“ Heute sei er „Vorbild, Trugbild und Zerrbild der preußischen Geschichte“.
Dabei habe der König aus dem Verständnis seiner Zeit gehandelt. „Es steht uns nicht zu, den Stab über Friedrich zu brechen. Aber wir sollten uns auch davor hüten, einen Mythos zu pflegen“, sagte der Bundespräsident. „Der Blutzoll für Friedrichs Großmachtstreben und sein Toleranzversprechen waren zwei Seiten einer Medaille.“ Friedrich habe wechselweise als „eiserner Feldherr“ und „sanfter Flötenspieler“, als „aufgeklärter Monarch und kühner Kriegsherr“ gehandelt.
Der Preußenkönig müsse aus seiner Gedankenwelt verstanden werden. „Wer die Geschichte zu einem Werkzeugkasten degradiert, wird ihr nicht gerecht“, zitierte Wulff den Historiker Christopher Clark, der den Festvortrag hielt. Der Preußen-Experte sagte, Friedrich habe erfolgreich daran gearbeitet, wie seine Nachwelt an ihn erinnert. Seine Vorstellungen etwa zur Wirtschaft seien als Leitfaden für die Politik heute untauglich.
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte, Friedrich habe der Region um Berlin seinen Stempel aufgedrückt. Seine Toleranz, etwa bei der Einwanderungspolitik, sei aber nur soweit gegangen, wie sie seinem Machtstreben diente. So habe der König ein tiefes Misstrauen gegenüber Juden gehegt. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) nannte Friedrich „widersprüchlich, genial, risikofreudig“.
Die Gedenkfeiern hatten am Morgen in Schloss Sanssouci in Potsdam begonnen. Besucher legten am Grab Blumen und Kränze nieder. Kartoffeln erinnerten daran, dass der Preußenkönig der Knolle in Preußen zum Durchbruch verholfen hatte. Mitglieder von Traditionsvereinen erschienen in preußischen Uniformen.
Der Chef des Hauses Hohenzollern, Georg Friedrich Prinz von Preußen, ehrte seinen Vorfahren mit einem schlichten Kreuz aus weißen Nelken. Eine Schleife trug eine Krone und die Buchstaben „GFS“ - die Initialen seines und des Vornamens seiner Frau Sophie. Platzeck legte einen Kranz nieder, der mit dem märkischen Adler geschmückt war.
Friedrich war am 17. August 1786 in Potsdam gestorben. Entgegen seines Wunsches war er in der Potsdamer Garnisonkirche beigesetzt worden. Bis 1991 war der Sarg auf der Burg Hohenzollern. Erst dann wurde der Monarch zur letzten Ruhe in der Gruft auf der Terrasse des Schlosses Sanssouci gebettet - mit den geliebten Windhunden in der Nähe.