Ägypten: Opposition ist nur in der Wut vereint

Keine einheitliche Linie vertreten die Demonstranten, die gegen Präsident Mubarak auf die Straße gehen. Und die Politik schweigt.

Kairo. Fußballfans, arbeitslose Akademiker, Alt-Linke, liberale Politiker und Hausfrauen mit Kopftuch — die Demonstranten, die sich in Ägypten mit der Staatsmacht anlegen, sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen. Sie haben längst nicht alle dieselben Ziele.

Einige von ihnen wollen mehr Demokratie, andere fordern höhere Löhne. Einige wollen mehr Liberalismus, andere lieber mehr islamische Werte in der Politik. Das Einzige, was diese Gruppen eint, ist die Wut auf eine politische Klasse, die vor allem an ihren eigenen Profit denkt und wenig gegen Korruption und Jugendarbeitslosigkeit unternimmt. Eine zentrale Steuerung der Proteste gibt es nicht. Die Parteien, Jugend- und Menschenrechtsgruppen organisieren sich kurzfristig nach dem „Flash-Mob-Prinzip“.

Auch einen Hoffnungsträger, der diese Gruppen eint, gibt es noch nicht. Doch vielleicht bekommt Friedensnobelpreisträger Mohammed el Baradei eine zweite Chance. Er hatte 2010 schon einen Anlauf unternommen — und war gescheitert.

Seine Versuche, die Regierung zu mehr Transparenz und Fair-Play zu zwingen, prallten an den Apparatschiks der Nationaldemokratischen Partei (NDP) von Präsident Husni Mubarak ab. Als der Diplomat die zweite Eskalationsstufe zünden und einen Wahlboykott organisieren wollte, folgten ihm nur wenige.

Die Muslimbruderschaft und einige kleinere Parteien schlugen El Baradeis Rat in den Wind und traten gegen die NDP-Kandidaten an. Sie scheiterten an den Urnen kläglich und riefen später laut „Wahlbetrug“. El Baradei hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon wieder enttäuscht ins Ausland abgesetzt.

Es mag sein, dass die Oppositionellen, die im vergangenen Herbst nicht auf ihn hören wollten, nun reuig zu El Baradei zurückkehren werden, falls er sich wirklich heute an die Spitze der Protestbewegung stellen sollte.

Doch es ist unsicher, wie sich Mubarak und seine Berater entscheiden: Werden sie zu den Protesten Stellung beziehen? Werden sie auf die Forderungen der Demonstranten eingehen? Werden sie El Baradei ungestört agieren lassen oder werden sie versuchen, auch ihn mit Hilfe des Sicherheitsapparats zu drangsalieren?

Bislang spricht über die Proteste und die Opfer der Zusammenstöße auf den Straßen nur Innenminister Habibi al-Adli. Mubarak, Ministerpräsident Ahmed Nazif und das restliche Kabinett bilden dagegen eine Mauer des Schweigens. „Dass nur der Innenminister spricht, ist ein Indiz dafür, dass sie diese Ereignisse nur mit dem Sicherheitsapparat in den Griff bekommen wollen“, erklärt ein Sympathisant der Bewegung „Jugend des 6. April“.

So mancher, der durch einen Sturz der Regierung Geld oder nützliche Beziehungen verlieren würde, denkt sich: „Was sind 30 000 Unzufriedene bei einer Bevölkerung von 80 Millionen?“