Atomkraft: Gutachten klärt Streitpunkte nicht

Die Studie zur Laufzeitverlängerung ist umstritten – und wird unterschiedlich interpretiert.

Berlin. Die Interpretation von Gutachten fällt oft unterschiedlich aus. Gerade bei Zahlenkolonnen, die sich über 250 Seiten erstrecken, kann im Grunde jeder seine Sichtweise herauslesen. Dementsprechend uneins sind sich Umwelt- und Wirtschaftsministerium, ob die Atomlaufzeiten um wenige Jahre oder um deutlich zweistellige Jahresbeträge verlängert werden sollen. Bis zu der Entscheidung am 28. September wird noch munter gestritten werden. Ein Überblick über die wichtigsten Knackpunkte:

Opposition und Umweltschützer werfen der Regierung vor, die Szenarienberechnung längerer Laufzeiten sei tendenziös. So wurde bis 2020 nur ein Ökostrom-Anteil von 33,7 Prozent angenommen, obwohl das Kabinett gerade selbst im Aktionsplan für erneuerbare Energien einen Anteil von 38,6 Prozent prognostiziert hat. Auch in den Folgejahren bleiben die Öko-Stromzahlen zum Teil deutlich unter den offiziellen Prognosen. Dass das Energiewirtschaftliche Institut der Universität Köln von Atomkonzernen gefördert wird, sorgt zusätzlich für Argwohn.

Die Vorteile längerer Laufzeiten halten sich aus Sicht des Umweltministeriums in Grenzen. Die Einsparungen beim CO2 seien gering. Vielmehr müsse man aufpassen, dass zu lange Laufzeiten nicht den notwendigen Ausbau der Stromnetze und -speicher behindern, heißt es. Entstehen wie geplant große Offshore-Windparks in der Nordsee, muss der Strom auch transportiert werden. Gibt es zu lange Atomlaufzeiten, könnten die Konzerne sich ermutigt fühlen, nur zögerlich in neue Netze zu investieren.

Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) verlangt, dass alle Kernkraftwerke gegen Attacken mit großen Flugzeugen gesichert sind. Das würde bei älteren Meilern Nachrüstungen bei der Hülle bedeuten und Milliarden verschlingen. Letztlich könnte das dazu führen, dass nicht alle Kernkraftwerke am Netz bleiben.

Öko-Strom wird stark subventioniert, aber auch die Atombranche wurde nach Angaben des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft seit 1950 mit 164,7 Milliarden Euro gefördert. Länger fließender Atomstrom würde - je nach Interpretation des Gutachtens - sehr geringe bis deutliche Dämpfungen beim Strompreis auslösen. Wirtschaftsminister Brüderle spricht von acht Milliarden Euro bis 2030; Umweltminister Röttgen sieht kaum Effekte.