46 Tote bei Anschlägen in Grenzstadt

Istanbul (dpa) - Nach dem schwersten Bombenanschlag in der Türkei seit Beginn des Bürgerkriegs im Nachbarland Syrien droht eine Ausweitung des Konflikts. Nach Angaben türkischer Regierungspolitiker führen Spuren zum Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad.

Bei der Explosion zweier Autobomben in der Grenzstadt Reyhanli waren am Samstag mindestens 46 Menschen getötet worden, etwa 140 wurden verletzt. Damaskus wies die Vorwürfe zurück und beschuldigte die türkische Regierung. Die Anschläge wurden international verurteilt.

Am Sonntag nahm die Polizei in der Türkei neun Verdächtige fest. Alle seien türkische Staatsbürger, wurde Vizeregierungschef Besir Atalay von türkischen Medien zitiert. Nach seinen Angaben haben die Beschuldigten die Tat teilweise gestanden. Innenminister Muammer Güler sagte, unter den Festgenommenen sei auch der Planer.

Die Täter seien an der Erkundung des Anschlagsorts und der Beschaffung der Fahrzeuge beteiligt gewesen. Nach weiteren Verdächtigen werde noch gesucht. Die Tat sei von Gruppen verübt worden, die in engem Kontakt stünden zu dem Regime in Damaskus und zum syrischen Geheimdienst, hieß es.

Schon unmittelbar nach den Anschlägen hatte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan erklärt, die Tat könnte im Zusammenhang mit dem Krieg in Syrien stehen. Außenminister Ahmet Davutoglu sprach von einer Provokation. Die türkische Armee schickte Verstärkung in das Grenzgebiet.

Das syrische Regime wies jede Verantwortung zurück. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana zitierte Informationsminister Omran al-Subi mit den Worten, die türkische Regierung habe zugelassen, dass aus der Grenzregion ein Zentrum für den internationalen Terrorismus geworden sei. Ankara trage deshalb die direkte moralische und politische Verantwortung für das, was geschehe.

Die Türkei steht auf der Seite der syrischen Aufständischen und hat zahlreiche Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Reyhanli ist nicht weit entfernt vom Grenzübergang Cilvegözü, über den viele Flüchtlinge aus Syrien in die Türkei kommen.

Jüngst hatte Ankara den Kurs gegen Assad verschärft. Ministerpräsident Erdogan sagte in einem Interview mit dem US-Sender NBC, die von den USA gezogene rote Linie zum Einsatz von Chemiewaffen sei von Syriens Regime längst überschritten. Er forderte Washington zum Handeln auf.

Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) warnte vor einer Intervention im Syrien-Konflikt. „Ein militärisches Eingreifen wäre sehr, sehr aufwendig und verlustreich“, sagte er am Sonntag in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. „Das ist eine schlimme Entwicklung, die wir militärisch von außen nicht groß werden beeinflussen können.“

Die syrische Opposition sah die Verantwortlichen für die Anschläge an der Grenze ebenfalls in Damaskus. „Wer diese verabscheuungswürdigen Terroranschläge verübt hat, will damit die türkische Regierung, die dem syrischen Volk beisteht, für ihre ehrenhafte Haltung bestrafen“, erklärte die Nationale Syrische Koalition in Istanbul.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte nach Angaben eines Sprechers, er verurteile „alle terroristischen Taten“. „Kein Grund oder Missstand kann jemals Angriffe auf Zivilisten rechtfertigen.“ US-Außenminister John Kerry sprach in Washington von „schrecklichen Nachrichten“.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) verurteilte die Anschläge als „barbarischen Terrorakt“. Deutschland stehe in dieser schweren Stunde an der Seite der Türkei, sagte er nach einem Gespräch mit seinem türkischen Kollegen Davutoglu am Sonntag in Berlin. Davutoglu warnte, dass Sicherheitsrisiken in der Region zunähmen.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton war schockiert über die Bombenanschläge. Das teilte ein Sprecher Ashtons am Sonntagabend mit. „Die EU, die terroristische Angriffe aller Art verurteilt, drückt in diesem schwierigen Moment ihre volle Solidarität mit der Regierung und dem Volk der Türkei aus. Sie steht bereit auf jede nötige Weise zu helfen“, hieß es in der Mitteilung.

Erst im Februar hatte es in dem Grenzort einen schweren Anschlag gegeben. Damals waren bei der Explosion einer Autobombe zwölf Menschen getötet und rund 30 verletzt worden. Der Aufstand gegen Assad in Syrien hat nach Angaben von Aktivisten seit seinem Beginn im März 2011 mehr als 80 000 Menschen das Leben gekostet - darunter knapp 4800 Kinder.