Ägypten droht ein „Freitag der Wut“

Nach dem blutigen Mittwoch sprechen Behörden von 520 Toten.

Kairo/Istanbul. „Schicksalsschlacht — der Staat gegen die Bruderschaft“, titelt „Al-Masry Al-Youm“. Doch ganz so klar, wie es die unabhängige Kairoer Tageszeitung darstellt, sind die Fronten in diesem brutalen Machtkampf nicht.

Denn das Blutbad vom Mittwoch hat in Ägypten nicht nur die Kluft zwischen den säkularen Parteien und den islamistischen Anhängern von Ex-Präsident Mohammed Mursi vertieft. Es hat auch zu einer weiteren Zersplitterung innerhalb der beiden Lager geführt.

Unterstützer des inhaftierten Ex-Präsidenten attackierten auch am Donnerstag, am Tag nach der gewaltsamen Räumung ihrer Protestlager, wieder Polizeistationen und Verwaltungsgebäude.

Aufrufe führender islamischer Geistlicher, die Krise durch Dialog zu beenden, verhallen folgenlos. Die christliche Minderheit geht nach einer Welle von Brandanschlägen und Plünderungen angstvoll in Deckung. Im Lager der Islamisten gibt es aber auch Aktivisten, die ganz auf friedlichen Protest setzen.

Bei den Gegnern der Muslimbrüder verläuft nun ein neuer Graben zwischen Politikern, denen im Kampf gegen die Islamisten jedes Mittel recht ist, und denjenigen, die vor einer Rückkehr zum alten Polizeistaat warnen.

Nobelpreisträger Mohammed elBaradei trat als Vizepräsident zurück, nachdem die Räumung der Protestlager eine Spirale der Gewalt ausgelöst hatte. Dafür wird er von vielen ehemaligen politischen Weggefährten kritisiert.

„Von jetzt an wird es nur noch schlimmer“, orakelt Issandr al-Amrani, ein Kommentator des populären Blogs „The Arabist“. Er hält die liberalen Politiker für naiv, die hoffen, mit Hilfe der Armee einen Neustart des Wandels zu erreichen. Der war schon nach dem Sturz von Präsident Husni Mubarak 2011 misslungen.

Gleichzeitig warnt er die Islamisten davor zu glauben, sie kämen mit Protesten und Aufruhr zum Ziel: „Ihre Gegner werden die rhetorische und physische Gewalt der Anhänger dieses Lagers begrüßen, um damit ihre eigene Gewalt zu rechtfertigen.“

Die Mursi-Anhänger riefen dessen ungeachtet zu neuen Protesten auf — radikale Islamisten verkündeten einen „Freitag der Wut“. Nach dem blutigen Mittwoch hatten die Behörden mehr als 520 Tote gezählt.