Ägypten: Letzter Tag der Präsidentschaftswahl
Kairo (dpa) - Mit weniger Andrang als am Tag zuvor ist die ägyptische Präsidentschaftswahl fortgesetzt worden. Größere Zwischenfälle wurden nicht gemeldet. Bis 20.00 Uhr haben die Bürger Zeit, ihre Stimme für einen der zwölf Kandidaten abzugeben.
„Die Stimmabgabe verläuft im ganzen Land ruhig“, erklärte Mohammed Abdel Hadi, ein Mitglied der Richterkommission, die den Urnengang überwachte. Das staatliche Fernsehen berichtete von kleineren Handgemengen zwischen Anhängern rivalisierender Kandidaten in der Nildelta-Provinz Kafr al-Scheich. Die unabhängige Gruppe Beobachter ohne Grenzen stellte am Mittwoch, dem ersten Wahltag, 143 Verstöße gegen die Wahlordnung fest.
Der Urnengang, bei dem 52 Millionen Bürger wahlberechtigt waren, gilt als historisch. Zum ersten Mal bestimmten die Ägypter in freier und demokratischer Wahl den ersten Mann des Staates. Er wird dem derzeit vor Gericht stehenden Langzeit-Herrscher Husni Mubarak nachfolgen, den ein Volksaufstand im Februar 2011 entmachtet hatte. Mit Ergebnissen wird frühestens am Samstag gerechnet.
Ein Sieger wird allerdings in diesem Wahlgang nicht erwartet. Da keiner der Kandidaten auf Anhieb 50 Prozent der Stimmen erreichen dürfte, kommt es voraussichtlich Mitte Juni zu einer Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten. Als aussichtsreichste Kandidaten galten zwei säkulare Polit-Profis - Mubaraks letzter Ministerpräsident Ahmed Schafik und der frühere Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa - sowie zwei Islamisten - der Kandidat der Muslimbruderschaft, Mohammed Mursi, und der ehemalige Muslimbruder Abdel Moneim Abul Futuh.
Auch am Donnerstag zeigten die Menschen vor den Wahllokalen großen Enthusiasmus. „Es ist das erste Mal, dass unsere Stimme bei einer Präsidentenwahl zählt“, sagten viele. Befürchtungen gab es aber auch, dass am Ende die Anhänger unterlegener Kandidaten das Ergebnis nicht anerkennen und das Land mit neuen Gewaltausbrüchen erschüttern könnten, insbesondere, falls ein säkularer Kandidat das Rennen machen sollte. Andere bezweifelten wiederum, dass die Generäle des seit dem Mubarak-Rücktritt herrschenden Obersten Militärrates die Macht tatsächlich aus den Händen legen würden, wenn sie diese an einen gewählten Präsidenten aus dem islamistischen Lager übergeben müssten.
Gelegentlich schlugen die Wogen der Leidenschaft hoch. Am ersten Wahltag kam es vor einigen Wahllokalen auch zu Schlägereien zwischen den Anhängern verschiedener Kandidaten. Insgesamt zählten die Behörden nach Angaben der staatlichen Medien 28 Verletzte, was allerdings deutlich unter dem Gewaltniveau früherer Wahlen in Ägypten liegt. Der säkulare Kandidat Schafik wurde am Mittwoch bei der Stimmabgabe von einer Menge mit Schuhen beworfen. Er blieb nach Angaben seines Wahlkampfstabes unverletzt.
Das Netzwerk Beobachter ohne Grenzen stellte vor allem Versuche fest, Wähler bei der Stimmabgabe zu beeinflussen, wie die Organisation am Donnerstag in Kairo mitteilte. Nach offiziellen Angaben waren 300 000 Soldaten und Polizisten im Einsatz, um für einen friedlichen Wahlverlauf zu sorgen.