Ägypten sucht Schuldige nach tödlichen Fußball-Krawallen
Kairo (dpa) - Nach den blutigsten Krawallen in der ägyptischen Fußballgeschichte mit mindestens 71 Toten und 1000 Verletzten richten sich die Schuldzuweisungen vor allem gegen Polizei und Militär.
Die islamistische Muslimbruderschaft kritisierte, dass die Sicherheitskräfte bei dem Fußballspiel in Port Said weggeschaut und nichts getan hätten. Andere machen bezahlte Schlägerbanden des früheren Regimes von Machthaber Husni Mubarak für den Ausbruch der Gewalt verantwortlich. Ziel sei es, die Revolution zu diskreditieren und den demokratischen Wandel zu stoppen.
Das neu gewählte ägyptische Parlament trat wegen des „Massakers“ am Donnerstag in Kairo zu einer Krisensitzung zusammen. Der herrschende Militärrat verhängte drei Tage nationale Trauer. FIFA-Präsident Sepp Blatter sprach von einem schwarzen Tag für den Fußball.
Ausschreitungen von gewaltbereiten Fans untereinander oder mit der Polizei sind in ägyptischen Fußballstadien Woche für Woche an der Tagesordnung. Aber solche Gewaltexzesse und so viele Tote wie nach dem Fußballspiel in Port Said zwischen den rivalisierenden Klubs Al-Masri und der Gastmannschaft Al-Ahli aus Kairo hat es bislang nicht gegeben. Zuschauer stürmten auf den Platz und machten nach dem 3:1 der Heimmannschaft Jagd auf Spieler und Fans von Al-Ahli.
Al-Ahlis Trainer Manuel José sagte, viele Menschen seien in der Umkleidekabine gestorben. „Die Schuld hat einzig und allein die Polizei. Es waren Dutzende im Stadion, aber die waren plötzlich alle verschwunden oder haben gar nichts unternommen“, sagte er dem portugiesischen TV-Sender SIC.
Unmittelbar nach den blutigen Krawallen gab es erste Spekulationen, dass es sich nicht nur um eine Schlacht von gewaltbereiten Fans zweier Fußballmannschaften gehandelt hat.
Die Muslimbruderschaft, deren Partei im Parlament die größte Fraktion stellt, beschuldigte in einer Erklärung Kräfte, die in enger Verbindung zum früheren Regime von Mubarak stünden.
Die Opposition attackierte das Militär scharf. Die Bewegung des 6. April, die mit ihren Massenprotesten vor einem Jahr den Sturz Mubaraks herbeigeführt hatte, machte die herrschenden Generäle für das Blutvergießen verantwortlich. Sie verursachten Chaos, um die Ägypter davon zu überzeugen, dass das Land ohne den Militärrat nicht zu regieren sei.
Vorgesehen ist, dass die Generäle um Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi die Macht bis Ende Juni an einen neu gewählten Präsidenten abgeben. Die Jugendbewegung fragte: „Ist es logisch, dass der Militärrat für gewaltfreie Wahlen sorgen, aber ein Fußballspiel nicht absichern konnte.“
Da die Angreifer Fans der siegreichen Mannschaft Al-Masri waren, kamen schnell Diskussionen über die möglichen Motive auf. Vergleiche wurden gezogen mit vergangenen Gewaltexzessen nach dem Sturz Mubaraks: Etwa mit den religiösen Unruhen im Oktober, als bei Straßenkämpfen zwischen Christen, Soldaten und muslimischen Schlägertrupps in Kairo mindestens 26 Menschen starben und die Sicherheitskräfte nicht eingriffen.
Ein für die öffentliche Sicherheit zuständiger Militärvertreter, Ahmed Gamal, wies in der Tageszeitung „Al-Tahrir“ (Donnerstag) jegliche Schuld zurück. Es habe einen guten Sicherheitsplan bei dem Fußballspiel gegeben, sagte er. Doch der Gewaltausbruch nach Abpfiff sei nicht mehr einzudämmen gewesen. Er verglich die Ereignisse mit dem Beginn der heftigen Massenproteste am 25. Januar vor einem Jahr gegen Mubarak. Und Tränengas werde seit den blutigen Zusammenstöße auf dem Tahrir-Platz im Herbst nicht mehr eingesetzt.
Der Vorsitzende des Militärrats verkündete in der Nacht zum Donnerstag über die Internetplattform Facebook drei Tage der nationalen Trauer. Bis Samstag soll der Opfer der Krawalle gedacht werden. Ägyptische Zeitungen schrieben von den schlimmsten Ausschreitungen in der Geschichte des ägyptischen Fußballs.
FIFA-Präsident Blatter zeigte sich entsetzt. Es sei „ein schwarzer Tag für den Fußball“. Blatter erklärte: „Ich bin entsetzt und schockiert. Meine Gedanken sind bei den Angehörigen der Todesopfer. Ihnen gilt mein tiefes Mitgefühl. Zu den Gründen der Katastrophe kann ich mich nicht äußern, eines aber steht fest: Es ist ein schwarzer Tag für den Fußball. Ein solches Drama ist jenseits des Vorstellbaren und darf nicht geschehen.“