Ägyptische Regierung reicht Rücktritt ein
Kairo (dpa) - Die ägyptische Übergangsregierung von Ministerpräsident Essam Scharaf hat am Montagabend ihren Rücktritt eingereicht. Sie zog damit die Konsequenzen aus den seit Freitag andauernden Protesten auf dem Tahrir-Platz in Kairo, die sich gegen das Kabinett und den Militärrat richten.
Offen blieb jedoch, ob der Militärrat den Rücktritt akzeptieren wird oder nicht. Ein Militärsprecher sagte der regierungsnahen Nachrichtenwebsite „Al-Ahram Online“, der Rat habe noch keine Entscheidung gefällt. Angeblich wollen die Generäle erst einen neuen Ministerpräsidenten suchen, bevor sie Scharaf und seine Mannschaft ziehen lassen.
Keine Bestätigung gab es für Berichte, wonach der Präsidentschaftskandidat und Friedensnobelpreisträger Mohammed al-Baradei für dieses Amt im Gespräch sein soll. Der Nachrichtensender Al-Dschasira hatte zuvor gemeldet, der Militärrat, der das Land seit der Entmachtung von Präsident Husni Mubarak im Februar lenkt, habe die Rücktritte bereits angenommen.
Unter anderem hatten die Muslimbrüder und die Jugendbewegung 6. April den Rückzug der Regierung gefordert. Die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz fordern vom Militärrat eine schnellere Übergabe der Verantwortung an eine zivile Regierung. In Ägypten wird vom kommenden Montag an in drei Phasen ein neues Parlament gewählt. Anschließend soll das Land eine neue Verfassung bekommen.
Die Proteste, an denen sich Tausende von jungen Leuten beteiligten, dauerten am Montagabend noch an. Im Laufe des Tages hatten die Sicherheitskräfte Tränengas gegen die Protestierenden eingesetzt, Demonstranten bewarfen Polizisten mit Steinen.
Das Gesundheitsministerium sprach von 22 Toten seit Freitag. Krankenhausärzte berichteten, 33 Menschen seien getötet worden, darunter auch mehrere Angehörige der Sicherheitskräfte. Insgesamt sollen bei den Straßenschlachten in Kairo und Alexandria rund 2200 Menschen verletzt worden sein, schätzten die Ärzte.
Die Bundesregierung warnte davor, den Demokratisierungsprozess in Ägypten aufs Spiel zu setzen. „Die Anwendung von Gewalt und ihre Folgen, nämlich eine hohe Zahl von Toten und noch viel mehr Verletzten, ist bestürzend“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin. Die Bundesregierung sei angesichts der äußerst gespannte Lage in Ägypten sehr beunruhigt.
Die EU rief die Ägypter auf, Selbstbeherrschung zu üben. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, betonte, das Recht auf friedliche Demonstrationen in Ägypten dürfe nicht angetastet werden.
Ein Militärsprecher forderte die Demonstranten am Montag auf, den Tahrir-Platz zu räumen. Dies sei im öffentlichen Interesse. Die Auseinandersetzungen hatten ihren Ausgang in einer Demonstration gegen die Militärherrschaft und die Übergangsregierung genommen. Islamistische Parteien hatten die Proteste zwar organisiert, sich aber nach ihrer großen Kundgebung am Freitag wieder zurückgezogen.
Zurück blieben mehrere tausend, meist junge Demonstranten. Diese wollen den Platz erst räumen, wenn ihre Forderungen erfüllt werden. Sie fordern neben dem Rücktritt der Übergangsregierung die Bekanntgabe eines Termins für die Präsidentschaftswahl, die nach ihren Vorstellungen spätestens im April stattfinden soll. Die Jugendprotestbewegung 6. April warf dem Militärrat vor, er wende die gleichen Methoden an wie der frühere Staatschef Mubarak. Der Militärrat erließ am Montag ein Dekret, das es früheren Parteigängern von Mubarak erschweren wird, weiterhin politisch aktiv zu sein. Das Dekret, das von den staatlichen Medien veröffentlicht wurde, sieht ein fünf Jahre währendes politisches Betätigungsverbot für jeden Ägypter vor, der sich der „politischen Korruption“ schuldig gemacht hat.
Hintergrund ist die Kandidatur zahlreicher ehemaliger Mitglieder der inzwischen aufgelösten Nationaldemokratischen Partei (NDP). Sie treten bei den Parlamentswahlen als unabhängige Kandidaten oder auf den Listen neuer Parteien an.
Mehrere Parteien und Nichtregierungsorganisationen fordern seit Monaten ein politisches Betätigungsverbot für die ehemaligen Parteigänger Mubaraks. Bisher hatte der Militärrat dies stets abgelehnt. Auch das neue Gesetz schließt nicht explizit alle Ex-NDP-Mitglieder aus.