Promis sagen gegen britische Boulevard-Presse aus
London (dpa) - Im Abhör-Skandal um die eingestellte Zeitung „News of the World“ aus dem Medien-Imperium von Rupert Murdoch hat am Montag in London eine Serie von Zeugenaussagen prominenter Betroffener begonnen.
Der Schauspieler Hugh Grant („Vier Hochzeiten und ein Todesfall“) erhob schwere Vorwürfe gegen Paparazzi und die Boulevard-Presse. Auch die Eltern des ermordeten Mädchens Milly Dowler, dessen Mobiltelefon ein von dem Sonntagsblatt beauftragter Detektiv angezapft hatte, berichteten über die Folgen.
Erstmals standen nicht mehr nur die „News of the World“, sondern auch die „Daily Mail“ und die „Mail on Sunday“ aus dem Verlagshaus Associated Newspapers in der Kritik. So habe die „Mail on Sunday“ einen „bizarren Artikel“ über eine angebliche Beziehungskrise mit seiner Freundin nur auf abgehörte, missverstandene und falsch eingeordnete Telefonate stützen können, sagte Grant.
„Besonders freie Fotografen kennen keine Gnade“, beklagte sich der 51-Jährige. So hätten Paparazzi der Mutter seiner Tochter, der chinesischen Schauspielerin Tinglan Hong, nachgestellt. Einen Tag nach der Geburt des Babys habe er Hong besucht, die unter einem falschen Namen im Krankenhaus gelegen habe. Offensichtlich habe ein Klinikmitarbeiter dies der „Daily Mail“ gesteckt, sagte Grant. Bis dahin hätten nicht einmal seine PR-Berater von dem Baby gewusst. Fortan sei er mit Anrufen bombardiert und das Haus von Hong belagert worden. Die Großmutter des Babys sei von einem Paparazzo fast umgefahren worden. Er habe sich inzwischen an die Polizei gewandt, sagte Grant.
Weitere prominente Zeugen, die in dieser Woche aussagen sollen, sind die Schauspielerin Sienna Miller, die Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling, Ex-Formel-1-Boss Max Mosley und der Vater der seit 2007 bei einem Urlaub in Portugal vermissten Madeleine, Gerry McCann.
Von der im Juli eingestellten „News of the World“ waren über Jahre die Telefone von fast 6000 Opfern angezapft worden, unter ihnen auch Politiker, Soldaten und Mitarbeiter des britischen Königshauses. Der Fall hat das Imperium um den amerikanisch-australischen Medien-Mogul Murdoch schwer erschüttert. Auch Premierminister David Cameron war kurz unter Druck geraten, da er den ehemaligen „News of the World“- Chefredakteur Andy Coulson zeitweise als Sprecher beschäftigt hatte.
Im Zentrum des Skandals steht ein von der „News of the World“ angeheuerter Privatdetektiv, der im Jahr 2002 die Mailbox der damals entführten 13-jährigen Milly Dowler angezapft hatte. Die Eltern schilderten, wie sie wieder Hoffnung schöpften, als sie feststellten, dass der ursprünglich volle Anrufbeantworter auf einmal wieder Platz für neue Nachrichten hatte. Wie sich später herausstellte, hatte nicht das Kind, sondern der Detektiv Nachrichten gelöscht. Glen Mulcaire wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Die Leiche des Mädchens wurde Monate später in einem Wald entdeckt.
Außerdem soll ein Fotograf der Zeitung die Eltern heimlich fotografiert haben, als sie den Schulweg ihrer Tochter abgingen. Von diesem Vorhaben habe die Zeitung nur wissen können, weil man ihre Telefone abgehört habe, sagte Sally Dowler. „Es fühlte sich so sehr nach Eindringen in einen wirklich privaten Moment der Trauer an.“ Auch hätten ihnen Journalisten vor ihrem Haus aufgelauert und sie in völlig unerwarteten Momenten „mit Fragen bombardiert“. „Wir wollen, dass das Ausmaß dieser Ereignisse deutlich wird.“
Richter Leveson soll nach dem Abschluss der Untersuchung unter dem Titel „Kultur, Praxis und Ethik der Presse“ Empfehlungen für neue Regeln für Großbritanniens Medien abgeben. Auch Akademiker und Medienvertreter kommen dabei zu Wort. Die Regierung hat bereits ein neues Gesetz angekündigt.
Die Generalsekretärin des britischen Journalistenverbands NUJ, Michelle Stanistreet, warnte vor einer allgemeinen Verurteilung der Medien. „Unsere Mitglieder bemühen sich täglich, der Öffentlichkeit zu dienen und den Bedarf nach Information, Bildung und Unterhaltung mit konkurrierenden und manchmal widersprüchlichen Forderungen von Verlegern und kommerziellen Interessen zu vereinen“, sagte Stanistreet. Die jahrelange Medienkrise habe zu massiven Kürzungen geführt, Journalisten stünden unter „unablässigem Druck“.