Ärger und Affront: NSA-Affäre irritiert Lateinamerika
Brasília/Washington (dpa) - Diplomatischer Affront gegen Washington: Wegen der Spionageaktivitäten des Geheimdienstes NSA hat die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff der US-Regierung eine Abfuhr erteilt.
Rousseff vertagte einen im Oktober geplanten Staatsbesuch in Washington, der in den USA eigentlich als diplomatisches Highlight des Jahres gewertet wurde. Der Grund für die Verschiebung: Die mangelnde US-Aufklärung über die angebliche Ausspionierung von E-Mails und Telefonaten der Präsidentin, ihres Beraters sowie von Unternehmen. Die NSA-Affäre trübt das Verhältnis zwischen Washington und mehreren Ländern Lateinamerikas.
Selbst ein 20-minütiges Telefongespräch zwischen Rousseff und US-Präsident Barack Obama konnte die Entscheidung zur Verschiebung der Reise nicht abbiegen. Es wäre der einzige Staatsbesuch in diesem Jahr in Washington gewesen. Ein Staatsbesuch gilt auf der diplomatischen Rangliste als höchstes Reiseformat.
Angesichts der fehlenden zeitnahen Untersuchung der Spionagevorfälle, der entsprechenden Erklärungen sowie der fehlenden Zusage, die Abhöraktivitäten einzustellen, lägen die Bedingungen für einen Besuch zum angegebenen Zeitpunkt (23. Oktober) nicht vor, teilte die Präsidentschaft in Brasília am Dienstag mit.
„Das ist ein Schlag für die US-brasilianischen Beziehungen, die wieder produktiver wurden mit Rousseffs Amtsantritt (im Januar 2011). Den Staatsbesuch zu verschieben (statt abzusagen), dämpft diesen Effekt nur leicht“, sagte Michael Shifter, Präsident der Denkfabrik „Inter-American Dialogue“ in Washington der dpa. „Die Botschaft ist klar und stark und zeigt die Sensibilität Brasiliens hinsichtlich seiner Souveränität.“ Allerdings denkt Shifter auch, dass Rousseff vor allem auf innenpolitischen Druck hin gehandelt habe. Rousseffs Umfragewerte sind nach den Massenprotesten im Juni im Keller und sie steht im nächsten Jahr vor Wahlen.
Doch ist die Verärgerung über die seit Wochen laufenden Berichte über die NSA-Bespitzelungen echt und das bei weitem nicht nur in Brasilien. Denn in dem früher despektierlich als „Hinterhof“ der USA bezeichneten Lateinamerika sollen auch Mexiko, Venezuela, Argentinien, Panama, Costa Rica, Chile, Nicaragua, Honduras, Paraguay, Peru und El Salvador von den Ausspähaktionen betroffen gewesen sein, wie Medien unter Berufung auf geheime Unterlagen des Informanten Edward Snowden berichteten.
Wie Brasiliens Staatschefin Rousseff soll auch Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto vor seiner Wahl im vergangenen Jahr von der NSA ausspioniert worden sein. Seitdem pocht der US-Nachbar Mexiko auf Aufklärung. Auch die Mexikaner reagierte mit einer Protestnote und warten weiter auf detaillierte Erklärungen. Brasilien wiederholte am Dienstag, das, was viele NSA-Opfer denken. Die „illegale Praktiken“ des Ausspähens seien ein ernster Vorgang und nicht vereinbar mit dem demokratischen Umgang zwischen befreundeten Ländern.