Ai Weiwei: Darum hat China ihn freigelassen
Experten haben verschiedene Erklärungsansätze für die Entscheidung des Regimes.
Peking. Müde und schmal sieht Ai Weiwei aus. Aber wie es dem chinesischen Künstler nach zweieinhalb Monaten in einem chinesischen Gefängnis wirklich geht, das zeigen die Bilder nach seiner Freilassung nicht. Der prominente Regimegegner hat Sprechverbot. Auch nach seiner überraschenden Freilassung bleibt deshalb unklar, wie er behandelt wurde, was die Behörden von ihm verlangen — und vor allem, was ihm bevorsteht.
Auch über die Beweggründe der chinesischen Regierung, den international bekannten Gegenwartskünstler wieder auf freien Fuß zu setzen, wird weiter gerätselt. Die heute beginnende Europareise von Regierungschef Wen Jiabao dürfte zumindest den Zeitpunkt mitbestimmt haben.
Am Montag und Dienstag wird Wen in Berlin erwartet. Die ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen sollten eigentlich die Verstimmung vergessen lassen, die es nach dem Empfang des Dalai Lama durch Bundeskanzlerin Angela Merkel 2007 gab. Ein Ai Weiwei hinter Gittern hätte das Klima wohl kaum verbessert. Politische Beobachter schließen zudem nicht aus, dass auch Meinungsverschiedenheiten innerhalb der chinesischen Regierung eine Rolle gespielt haben. Professor Jean-Pierre Cabestan, China-Experte an der Baptist University in Hongkong, sagt: „Es gibt innerhalb der chinesischen Gesellschaft und der chinesischen Führung unterschiedliche Ansichten, wie man mit Kritikern umgehen soll.“
Dass die internationalen Proteste gegen die Verschleppung von Ai die Machthaber in Peking beeindruckt haben, ist nach allen bisherigen Erfahrungen dagegen wenig wahrscheinlich. Menschenrechtsorganisationen sehen keine Anzeichen von Tauwetter — ganz im Gegenteil. „Es gibt in China momentan eine Verschlechterung der Menschenrechtslage, unabhängig von dieser einen Freilassung“, sagt Maja Liebing, Asien-Expertin von Amnesty International.
Seit Mitte Februar seien in China mehr als 130 Aktivisten, Journalisten, Anwälte und Blogger festgenommen worden. Genau wie bei Ai ist bei vielen nicht einmal bekannt, wohin sie verschleppt wurden. Auslöser der neuen Verhaftungswelle waren Appelle im Internet, die zu „Jasmin“-Protesten nach dem Vorbild der arabischen Länder aufriefen.