Analyse: Warum Birma jetzt Regimegegner freilässt

Der Präsident unternimmt historische Schritte und blickt vor allem Richtung Westen.

Rangun. Birmas Präsident Thein Sein macht Nägel mit Köpfen. Einen Tag nach dem Waffenstillstand mit den Karen-Rebellen legt er mit seinem bislang spektakulärsten Coup nach: der Freilassung der prominentesten Aktivisten. Hunderte Gesinnungsgefangene saßen in den berüchtigten Foltergefängnissen des Regimes. Bis jetzt.

Studentenführer Min Ko Naing und Mönch Ashin Gambira, die Drahtzieher der Aufstände 1988 und 2007 sind frei, ebenso 650 weitere Gefangene. Es deutet nichts darauf hin, dass sie bei den Nachwahlen zum Parlament am 1. April nicht antreten können.

„Dass sie die symbolträchtigen Gefangenen freigelassen haben, die die Aufstände angezettelt haben, ist ein historischer Schritt“, sagt Marco Bünte vom GIGA-Institut für Asienstudien in Hamburg. „Der Präsident will zeigen, dass er es ernst meint mit den Reformen.“

Die westlichen Länder haben das Jahrzehnte herrschende Militärregime wegen Menschenrechtsverletzungen mit den Sanktionen abgestraft. Ein Ende der Kämpfe gegen ethnische Minderheiten war die erste Hauptforderung des Westens. Abgehakt, sagen Birma-Experten, nach den Waffenstillständen mit den Shan, den Chin und zuletzt mit den Karen. Die Freilassung der politischen Gefangenen war die zweite Hauptforderung. Die ist seit Freitag auch erfüllt.

„Jetzt brauchen wir mehr als nur Lob. Eine Aufhebung der Sanktionen ist längst fällig“, sagt Birma-Experte Kyaw San Wai von der School of International Studies an der Universität Singapur.

„Wir werden im Februar und März über die Sanktionen diskutieren, im April laufen sie aus, wenn wir sie dann nicht verlängern“, sagte ein Diplomat in Rangun. Bundesaußenminister Guido Westerwelle stellte eine Aufhebung in Aussicht, wenn die Regierung die Reformen konsequent vorantreibe.

Natürlich seien in Birma weiter Missstände zu bemängeln, sagt Bünte. Die Zensur etwa und die Tatsache, dass die Amtsinhaber alle von Gnaden des Militärs sind. Nur unter diesen Umständen hat die Junta die Wahlen im November 2010 zugelassen. „Trotzdem: Man sollte den Präsidenten als Reformer stützen.“