Ankara weist BND-Bericht scharf zurück
Ankara/Berlin (dpa) - Die Türkei hat die Einstufung des Landes als „zentrale Aktionsplattform“ für Islamisten im Nahen Osten durch die Bundesregierung scharf zurückgewiesen.
Die unter Berufung auf einen Bericht des Bundesnachrichtendienstes (BND) aufgestellten Behauptungen seien „ein neuer Beweis für die schräge Einstellung, mit der seit einiger Zeit versucht wird, unser Land zu zermürben, indem unser Staatspräsident und unsere Regierung ins Visier genommen werden“, teilte das türkische Außenministerium mit. Berlin bemühte sich um eine ruhige Reaktion.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ über ihren Sprecher Steffen Seibert erklären, die Türkei sei ein wichtiger Partner bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise und im Kampf gegen den Terror. Zu entsprechenden Forderungen aus der Opposition sagte er, Deutschland habe keinen Anlass, das von Merkel initiierte Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei in Frage zu stellen. Aus Sicht der Bundesregierung habe sich mit dem Bekanntwerden der als vertraulich eingestuften Einschätzung „nichts verändert im Verhältnis zur Türkei“.
Eine Sprecherin von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bemühte sich, Distanz zu der brisanten Analyse deutlich zu machen. Sie ist in einer vom CDU-geführten Innenministerium verantworteten Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion enthalten. Die Sprecherin sagte, ihr Haus mache sich die in der Presse getroffenen pauschalen Aussagen nicht zu eigen. Auch auf Nachfragen wollte sie sich jedoch nicht eindeutig von den Einschätzungen absetzen.
Zugleich teilte die AA-Sprecherin mit, dass der deutsche Gesandte in der Türkei schon am Dienstag ein Gespräch mit der türkischen Regierung zu den Vorgängen gehabt habe. Eine offizielle diplomatische Reaktion Ankaras habe es aber nicht gegeben.
Ein Sprecher von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) räumte ein, der zuständige Sachbearbeiter habe bei der Beantwortung der Anfrage versäumt, das Auswärtige Amt wie üblich einzubinden. Zudem habe er fälschlicherweise den Eindruck erweckt, eine solche Beteiligung sei vorgenommen worden.
In dem der dpa vorliegenden und nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Passus der Regierungsantwort heißt der Kernsatz: „Als Resultat der vor allem seit dem Jahr 2011 schrittweise islamisierten Innen- und Außenpolitik Ankaras hat sich die Türkei zur zentralen Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen der Region des Nahen und Mittleren Ostens entwickelt.“ Zugleich werden der Regierungspartei AKP und Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan zahlreiche „Solidaritätsbekundungen und Unterstützungshandlungen für die ägyptische MB (Muslimbruderschaft), die HAMAS und Gruppen der bewaffneten islamistischen Opposition in Syrien“ bescheinigt.
Das Außenministerium in Ankara erklärte, die Türkei sei ein Land, „das den Terror welcher Herkunft auch immer aufrichtig bekämpft“. Dies erwarte sie auch von ihren Partnern und Verbündeten. Zudem wurde eine Klärung der Vorgänge durch deutsche Instanzen gefordert. Unklar blieb, was dies bedeuten könnte.
Offenbar mit Blick auf die Linkspartei erklärte das türkische Außenministerium, es sei offensichtlich, dass „bestimmte politische Kreise“ in Deutschland hinter den Behauptungen stünden. Diese seien für ihre „doppelten Standards“ in Bezug auf den Anti-Terror-Kampf bekannt, vornehmlich bezüglich der „gegen die Türkei gerichteten blutigen Attacken“ der verbotenen kurdische Arbeiterpartei PKK.
Regierungssprecher Seibert betonte, auch in Deutschland sei die PKK als terroristische Vereinigung eingestuft. Zugleich unterstrich er, die Bundesregierung sehe die Beziehung der Türkei zur radikalislamischen Hamas äußerst kritisch - unter anderem wegen deren Weigerung, das Existenzrecht Israels anzuerkennen.
Nach Ansicht von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sollten Probleme mit der Türkei offen angesprochen werden. „Die Türkei ist Nato-Partner, und es ist für uns wichtig, dass wir mit Offenheit und Transparenz miteinander umgehen“, sagte die CDU-Politikerin bei einem Besuch der Luftwaffe im schleswig-holsteinischen Jagel. Dies sei ein Grundprinzip in der Nato, „weil man miteinander auch in aller Klarheit die Dinge auf den Tisch legen muss, wo wir gemeinsame Interessen haben oder wo es Diskussionspunkte gibt“.
Die Opposition im Bundestag fordert Aufklärung über Erkenntnisse der Bundesregierung zur Unterstützung von Islamisten durch die Türkei. Die Linke-Fraktion beantragte eine Sonderaussitzung des Innenausschusses für die erste Sitzungswoche des Parlaments im September, die Grünen eine Sondersitzung des Parlamentarischen Gremiums zur Kontrolle der Geheimdienste.