Prozess gegen Jiang Tianyong Bekannter Bürgerrechtsanwalt in China vor Gericht
Changsha (dpa) - Der bekannte chinesische Bürgerrechtsanwalt Jiang Tianyong ist wegen „Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt“ vor Gericht gestellt worden. Der Prozess vor dem Mittleren Volksgericht von Changsha in der zentralchinesischen Provinz Hunan endete nach nur knapp vier Stunden.
Wann mit dem Urteil zu rechnen ist, war unklar. Dem 46-Jährigen droht eine Haftstrafe.
Sein Fall wird von deutscher Seite mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Der prominente Anwalt war in Peking schon mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und zuletzt im November mit dem damaligen Wirtschafts- und heutigen Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) zusammengetroffen, um sie bei ihren Besuchen über die angespannte Menschenrechtslage in China zu informieren.
Diplomaten aus Deutschland, den USA, Großbritannien, Kanada, der Schweiz und den Niederlanden bemühten sich in Changsha vergeblich, an dem Prozess teilnehmen zu dürfen, berichteten diplomatische Kreise. „Sie wurden nicht vorgelassen“, hieß es. Das Gerichtsgebäude war weiträumig abgesperrt.
In dem Prozess bekannte sich der Anwalt als schuldig im Sinne der Anklage und äußerte die Hoffnung, dass andere Aktivisten und Anwälte „eine Lektion lernen“. Er bat wegen seiner Kooperationswilligkeit um eine milde Strafe. Jiang Tianyong war auch nur noch der „Anstiftung“ und nicht mehr der schwereren Straftat der „Untergrabung der Staatsgewalt“ angeklagt, wie es zunächst geheißen hatte.
„Sein Geständnis ist offensichtlich erzwungen“, sagte Maya Wang von Human Rights Watch. „Es zeigt nichts anderes als die Entschlossenheit der Behörden, das Recht in ihrem Sinne zu verdrehen.“ Wie andere vor ihm habe Jiang Tianyong nach langer Isolationshaft ohne Zugang zu einem Anwalt seiner Wahl oder zu seiner Familie gestanden. „Der Scheinprozess zeigt einmal mehr, wie ungerecht die Verfahren in China sind“, sagte Patrick Poon von Amnesty International.
Der kritische Jurist war nur gut drei Wochen nach seinem Treffen mit Vizekanzler Gabriel im November in den Händen der Staatsgewalt verschwunden. Die Bundesregierung hatte sich seither mit der Bitte um Aufklärung besorgt an die chinesische Seite gewandt. Gabriel, der Jiang Tianyong als „mutigen Anwalt“ beschrieben hatte, wird Mitte September erneut zu einem Besuch in China erwartet.
Direkt nach dem Treffen mit dem Vizekanzler gemeinsam mit anderen Anwälten, Dissidenten und Intellektuellen am 2. November in der deutschen Botschaft hatte sich Jiang Tianyong kritisch über die Führung Chinas geäußert. Der Deutschen Presse-Agentur sagte der Anwalt damals: „Der Vizekanzler stimmte zu, dass es heute schwieriger ist, mit der chinesischen Seite über Menschenrechte zu sprechen.“
Früher sei es zwar nicht angenehm, aber noch möglich gewesen, etwa mit dem „starken Mann“ Deng Xiaoping oder den damaligen Präsidenten Jiang Zemnin und Hu Jintao über Menschenrechte zu reden. „Aber heute mit Xi Jinping ist es fast unmöglich geworden, sich darüber auszutauschen“, berichtete Jiang Tianyong aus dem Gespräch. Er übte auch Kritik an der Willkür in China und der seit Mitte 2015 laufenden Verfolgungswelle gegen seine Anwaltskollegen.
Der Tod des chinesischen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo im Juli und die Behandlung seiner offenbar unter Hausarrest stehenden Frau Liu Xia hatten diesen Sommer bereits ein Schlaglicht auf die schwierige Menschenrechtslage in China geworden.
Mehr als einen Monat nach der Trauerfeier für den in Haft an Leberkrebs erkrankten Liu Xiaobo war am Wochenende ein Video der verschwundenen Witwe aufgetaucht. Darin sagte die 56-Jährige, sie brauche Zeit, um zu trauern und sich zu erholen. Freunde gehen davon aus, dass sie an einem geheim gehaltenen Ort streng bewacht wird.
Rechtlosigkeit in China prangerten am Dienstag auch regierungsunabhängige Organisationen (NGO) in Taiwan an, die Freiheit für den in China inhaftierten taiwanesischen Bürgerrechtler Lee Ming-che forderten. Er war im März nach der Einreise über Macao verschwunden. Im Mai wurde seine Festnahme bestätigt. Ihm wird auch „Untergrabung der Staatsgewalt“ vorgeworfen. Im Juli forderte das EU-Parlament in einer Resolution von China, ihn freizulassen.