Berlin stellt sich in Streit mit Türkei hinter Deutsche Welle

Berlin (dpa) - Im Streit um die Beschlagnahme eines Interviews mit dem türkischen Sportminister hat sich die Bundesregierung hinter die Deutsche Welle (DW) gestellt. Sie unterstützte am Mittwoch die Forderung des staatlichen Auslandssenders, die Aufnahmen wieder herauszugeben.

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Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: „Die Pressefreiheit ist für uns ein hohes, nicht zu verhandelndes Gut.“ Dies gelte nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland.

Wegen der Beschlagnahme des Interviews wurde auch der deutsche Botschafter Martin Erdmann am Mittwoch bei der türkischen Regierung vorstellig. Nach Angaben des Auswärtigen Amts führte er ein „konstruktives“ Telefonat mit dem Büroleiter von Sportminister Akif Cagatay Kilic. Konkrete Ergebnisse wurden zunächst nicht bekannt.

Der Minister hatte dem DW-Moderator Michel Friedman am Montagabend ein Interview für das Format „Conflict Zone“ (Konfliktzone) gegeben. Nach Angaben des Senders wurde das Material aber unmittelbar danach von seinem Ministerium konfisziert. Der Sender beklagt einen massiven Verstoß gegen die Pressefreiheit.

Kilic bestritt nicht, dass die Aufnahmen im Besitz des Ministeriums seien, er will das Einziehen des Materials aber nicht als Beschlagnahme verstanden wissen. Auf Twitter schrieb er am Dienstagabend, dass solche Aussagen nicht der Wahrheit entsprächen. Sein Ministerium habe lediglich eine „Verfügungsgewalt“ angewendet. Er habe gefordert, das Interview nicht auszustrahlen. Die Deutsche Welle müsse diesem Wunsch nach Autorisierung nachkommen. Das Sportministerium wollte sich am Mittwoch auf Anfrage zunächst nicht weiter zu dem Fall äußern.

Ein Sprecher der Deutschen Welle bezeichnete die Behauptung Kilics, das Videomaterial sei nicht beschlagnahmt worden, als „schlichtweg abenteuerlich“. „Das Team der DW hat das Material keineswegs aus freien Stücken an die Vertreter des türkischen Ministeriums übergeben. Dies geschah vielmehr unter unmissverständlichem Druck“, hieß es in einer Erklärung von Dienstagabend. Auch eine Abnahme des Interviews stand nicht zur Debatte.

Zur Begründung, warum man sich überhaupt an dem Interview gestört habe, hieß es in der Erklärung Kilics bei Twitter, Friedman habe „Ausdrücke und Schuldzuweisungen gebraucht, die ihren Zweck verfehlen“.

Aus Sicht von Friedman hatten kritische Fragen zur Situation von Frauen und Verhütung zur Beschlagnahme geführt. Es sei um verschiedene Themen gegangen. „Wir landeten dann auch bei - ein Stichwort, das ihm überhaupt nicht gepasst hat - bei den Rechten der Frauen“, sagte Friedman im Deutschlandradio.

DW-Intendant Peter Limbourg kritisierte das Vorgehen scharf: „Was wir hier erleben, erfüllt den Tatbestand der Nötigung durch die türkische Führung. Das hat mit Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nichts mehr zu tun.“ Es könne nicht sein, dass ein Minister bereitwillig ein Interview gebe und dann dessen Ausstrahlung verhindern wolle, „weil ihm die Fragen nicht gepasst haben“.

Die Deutsche Welle forderte die türkischen Behörden zur sofortigen Herausgabe des Videomaterials auf. Sie prüfe zudem mögliche rechtliche Schritte.