Berlin zerstreut Sorgen vor Spaltung Europas
Paris/Berlin (dpa) - Nach dem deutsch-französischen Gipfeltreffen zur Bewältigung der Euro-Schuldenkrise ist die Bundesregierung Befürchtungen vor eine Spaltung Europas entgegengetreten.
Ein Kerneuropa mit den zwei größten Volkswirtschaften an der Spitze werde es nicht geben, stellte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin klar. Das Echo auf die Vorschläge für eine Euro-Wirtschaftsregierung und nationale Schuldenobergrenzen fiel geteilt aus. Die Opposition hält die Pläne für unzureichend. Wirtschaft und Banken warnen vor der Finanztransaktionsteuer. Die EU-Kommission begrüßte den Vorstoß von Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy als einen Schritt voran.
Seibert betonte, es gehe nicht darum, „Fragmente einer Union abzuspalten und auf ein anderes Gleis zu heben. Sondern es geht darum, diese gesamte Europäische Union voranzubringen.“ Der Regierungssprecher unterstrich zugleich das besondere deutsch-französische Verhältnis.
Merkel und Sarkozy hatten am Dienstag bei ihrem Treffen in Paris eine Art gemeinsame Wirtschaftsregierung der Euro-Zone, eine verbindliche Schuldenbremse in allen 17 Euro-Ländern und eine Finanztransaktionssteuer vorgeschlagen. Den zuletzt ins Gespräch gebrachten gemeinsamen europäischen Anleihen, sogenannten Eurobonds, erteilten beide jedoch eine klare Absage.
Positive Stimmen waren von Spitzenvertretern der deutschen Wirtschaft zu hören: So sieht der Industrieverband BDI in der Euro-Initiative gute Ansätze. Es bestünden aber Risiken durch eine übermäßige staatliche Lenkung der europäischen Marktwirtschaften. Der Industrie- und Handelskammertag begrüßte den Vorschlag für nationale Schuldenobergrenzen. „Frankreich und Deutschland machen beim Stabilitätspakt jetzt Nägel mit Köpfen.“
Mit heftiger Kritik reagierte die Opposition in Berlin auf die Ergebnisse des Gipfels: „Das ist keine Lösung der Krise. Da hat die Kanzlerin schlicht die Unwahrheit gesagt“, kritisierte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier im ARD-„Morgenmagazin“.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte im RBB-Sender Radioeins: „Das, was hier vorgeschlagen worden ist, ist keine europäische Wirtschaftsregierung.“ Vielmehr dürfe EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy „gelegentlich bei Frau Merkel und Herrn Sarkozy zum Rapport antreten“. Die Linke warf Merkel und Sarkozy Ratlosigkeit vor.
Lob kam dagegen vom Koalitionspartner FDP und von der CSU: Die Kanzlerin habe die „volle Unterstützung“ seiner Partei, sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Die geplante gemeinsame Euro-Wirtschaftsregierung soll nach Auffassung der FDP nur dafür zuständig sein, „die großen Leitplanken der makroökonomischen Entwicklung abzustimmen und keine Detailsteuerung zu machen“. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sieht in den Euro-Beschlüssen eine entscheidende Maßnahmen gegen die hohe Verschuldung vieler Staaten.
In Europa trafen die Ergebnisse auf ein geteiltes Echo: Während sich die EU-Kommission rundum zufrieden zeigte, reagierte die französische Opposition mit Kritik. Beim Schuldensünder Italien fielen die Reaktionen gemischt aus. Spanien sieht in den Plänen einen Fortschritt für die Eurozone. Die Regierung von Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero äußerte zugleich Verständnis dafür, dass Merkel und Sarkozy auf ihrem Treffen in Paris die Einführung von Eurobonds vorerst ablehnten.
Zufrieden hatte sich die EU-Kommission bereits nach dem Treffen geäußert: Die Vorschläge für ein besseres Krisenmanagement seien „ein willkommener Schritt voran in unseren gemeinsamen Bemühungen um eine Stärkung der Wirtschaftsregierung der Eurozone“, hieß es in einer am Dienstagabend in Brüssel veröffentlichten Erklärung.
Die Aktienmärkte beruhigten die Ankündigungen nicht entscheidend: Nach Einschätzung von Börsianern sind die deutsch-französischen Vorschläge für eine europäische Wirtschaftsregierung lediglich eine langfristige Vision - Anleger vermissten dagegen konkrete Maßnahmen zur Beruhigung der Märkte. In dem weiterhin unsicheren Börsenumfeld weitete der Dax seine Vortagesverluste aus. Am Ende ging der Leitindex mit einem Minus von 0,77 Prozent auf 5948,94 Punkte aus dem Handel.