Berlusconi bestreitet Bunga-Affäre
Ex-Ministerpräsident sagt überraschend vor Gericht aus. Medienzar fühlt sich verleumdet und fürchtet um seinen Einfluss.
Mailand. Sein Auftritt im Sex-Prozess um wilde Partys war zunächst angesagt, dann wieder abgesagt und kam doch zustande: Silvio Berlusconi entschloss sich vor den Richtern in Mailand, obwohl nicht offiziell zur Vernehmung geladen, zu einer Vorwärtsverteidigung. Der Angeklagte ergriff am Freitag im Justizpalast „freiwillig“ das Wort — und nannte die Flut der Berichte über wilde „Bunga Bunga“-Partys in seiner Villa Arcore eine scheußliche Diffamierung.
Zuvor hatte er rasch noch der Anklagevertreterin Ilda Boccassini die Hand geschüttelt und neben seinen Anwälten in der ersten Reihe des Saales Platz genommen. Sitzend plädierte er dann schon mal in eigener Sache auf unschuldig. Herumgeschnüffelt habe man in seinem Privatleben, um ihn zu verleumden. Es ist dieser Prozess um Sex mit Minderjährigen und Amtsmissbrauch, der den Politiker Berlusconi noch weiter ins Abseits treiben könnte. Das will er möglichst vermeiden.
Mit dem jungen marokkanischen Partygirl Ruby (Foto: dpa), dessen Umgang mit dem Ex-Premier das ganze juristische Tauziehen ausgelöst hat, „habe ich nie intime Beziehungen gleich welcher Art gehabt“, sagte er.
Dass er dies beteuert, wie auch Ruby selbst, ist nicht neu. Berlusconi tut es in der besten Manier des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton. Dieser hatte es als ausgebildeter Jurist zum Höhepunkt der Affäre um Monica Lewinsky so formuliert: „Ich hatte nie eine Beziehung mit dieser Frau.“ Der 76-jährige Mailänder Medienzar und Milliardär sagte nun, er könne mit „absoluter Sicherheit“ ausschließen, dass es je Szenen sexueller Natur bei seinen Partys gegeben habe.
Freundliche Schützenhilfe gab es dazu auch: Mariano Apicella, mit dem der Ex-Entertainer Berlusconi seit etwa 15 Jahren musikalisch zusammenarbeitet, will als Zeuge bei den Festen nie gesehen haben, dass der Cavaliere die Hände nach Frauen ausgestreckt habe. „Respektvoll“ sei der Umgang gewesen. Die Frage wird nun sein, wie das Gericht die Aussagen zahlreicher anderer Party-Zeugen dazu bewertet.
„Sicher ist, dass der Ausgang dieses Prozesses um Sex mit Minderjährigen und Amtsmissbrauch großes Gewicht für die politische Zukunft des Cavaliere haben könnte“, so sah die Zeitung „Corriere della Sera“ einen Berlusconi, der Beklemmungen habe und wegen dieses Verfahrens nachts schlecht schlafe.
Der schillernde und umstrittene Lebemann, mehrfacher Ministerpräsident, scheint allerdings nach seinem erzwungenen Rücktritt im November vergangenen Jahres sowieso ganz auf dem absteigenden Ast. Auch wenn er in diesem Sommer überlegt haben soll, bei den Parlamentswahlen im Frühjahr 2013 nochmals das Amt des Regierungschefs anzustreben. Er dürfte immer weniger begierig darauf sein, eine politische Schlacht wie in alten Zeiten zu führen. Sein politisches Lager hängt aber noch von ihm ab.
Wusste Berlusconi, dass Ruby seinerzeit noch minderjährig war? Hat er sein Amt missbraucht, als er sie mit einem nächtlichen Anruf aus dem Polizeigewahrsam holen wollte? Das sind Fragen, über die das Mailänder Gericht entscheiden wird, und zwar womöglich mitten in einem auf vollen Touren laufenden Kampf ums Parlament. Damit ginge es doch noch um seinen politischen Einfluss.