Bund würdigt Leistung türkischer Zuwanderer
Berlin (dpa) - Die Bundesregierung hat anlässlich der Unterzeichnung des Anwerbeabkommens mit Ankara vor 50 Jahren die Leistungen türkischer Zuwanderer in Deutschland gewürdigt.
Diese hätten „zum Wohlstand Deutschlands beigetragen“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Samstag in ihrer wöchentlichen Videobotschaft. „Sie sind ein Teil unseres Landes geworden.“
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) schrieb in einem Beitrag für die Zeitung „Hürriyet“, Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln seien seit Abschluss des Abkommens zu einem Teil Deutschlands geworden. „Erst halfen sie bei unserem Wirtschaftswunder. Dann kamen auch ihre Familien und Kinder. Heute gibt es zahlreiche, erfolgreiche türkisch-stämmige Unternehmer, Politiker und Fernsehstars.“
Die Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir erklärten in Berlin, die türkischstämmigen Menschen hätten Deutschland „bunter, multikultureller und lebenswerter“ gemacht. „Das moderne Deutschland ist ohne sein türkisches Element kaum mehr vorstellbar.“ Die 50 Jahre seit Vereinbarung des Anwerbeabkommens seien leider auch eine Geschichte vieler verpasster Chancen, um das Miteinander zu einem gemeinsamen „Wir“ zu fördern, fügten sie hinzu.
An diesem Mittwoch wird in Berlin der Jahrestag des deutsch- türkischen Abkommens gefeiert. Dazu wird auch der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan erwartet. „Das Anwerbeabkommen hat unser Land verändert“, sagte Merkel mit Blick auf die mehr als 2,5 Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln, die heute in Deutschland leben. Es gebe heute viele sehr gut integrierte türkischstämmige Menschen, aber durchaus auch noch Probleme. Die Kanzlerin appellierte an die Integrationsbereitschaft der deutschen Gesellschaft wie auch der Zuwanderer. Wichtig sei die Sprache. „Man kann sich ein Land nur erschließen, wenn man die Sprache kann.“
Westerwelle schrieb, nie zuvor seien sich Deutsche und Türken so nahe gewesen. „Wir haben allen Grund, bei der Annäherung aneinander nicht nachzulassen: Das gilt für das Miteinander von Deutschen und Türken in Deutschland genauso wie für das Verhältnis zwischen der Türkei und der Europäischen Union.“
In der „Bild“-Zeitung mahnte Westerwelle Fortschritte bei den Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei an. „Auf beiden Seiten gibt es Bremser und Hindernisse, die es zu überwinden gilt.“ Die Türkei müsse „ehrlich, fair und mit Respekt“ behandelt werden. Sonst bestehe die Gefahr, dass die Türkei das Interesse an Europa verlieren könnte: „Ein Abwenden von Europa wäre für beide Seiten eine fatale Entwicklung - und deshalb müssen wir weiter daran arbeiten, die Türkei an Europa zu binden.“ Die Union lehnt eine volle EU-Mitgliedschaft der Türkei ab.
Der Touristik-Unternehmers Vural Öger sagte der Nachrichtenagentur dpa, mit der Zuwanderung sei Deutschland zu einem interessanten und bunten Land geworden. „Im Umgang mit Fremden und Ausländern sind die Deutschen heute viel lockerer als vor 50 Jahren.“
Nach einem „Focus“-Bericht gab es bei der Vorbereitung der Feier am Mittwoch Differenzen zwischen Berlin und Ankara. So habe ein großformatiges Foto von 1964 für Verstimmung gesorgt, das den damaligen Arbeitsminister und späteren Ministerpräsidenten Bülent Ecevit mit Gastarbeitern bei Ford zeigte. Erdogan habe das Foto seines 2006 gestorbenen politischen Widersachers austauschen lassen. Zudem habe Ankara darauf gedrängt, die als islamkritisch geltende deutsch-türkische Autorin Hatice Akyün von einer Podiumsdiskussion wieder auszuladen. Das habe das Auswärtige Amt aber abgelehnt.
Am 30. Oktober 1961 wurde in Bonn-Bad Godesberg das Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik und der Türkei unterschrieben. Es markiert den Beginn der türkischen Einwanderung nach Deutschland. Rund 750 000 türkische Arbeitskräfte kamen zwischen 1961 und 1973 im Rahmen des Abkommens nach Deutschland. Zur Erinnerung daran kam am Sonntag ein Sonderzug aus Istanbul mit Zeitzeugen, Politikern und Künstlern auf dem Münchner Hauptbahnhof.
SPD-Chef Sigmar Gabriel machte sich zum Jahrestag des Abkommens für die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft stark - und erntete prompt Widerspruch aus Bayern und von der FDP-Bundestagsfraktion.