Chaoswahlen in Haiti: Kandidaten fordern Annullierung
Port-au-Prince (dpa) - Bei den Präsidenten- und Parlamentswahlen in Haiti ist es am Sonntag offenbar zu größeren Unregelmäßigkeiten gekommen. Zwölf Präsidentschaftskandidaten kritisierten die Regierung von Präsident René Préval, die Wahlen mit massiven Fälschungen beeinflusst zu haben.
In mehreren Städten, darunter in Leogane westlich der Hauptstadt, kam es zu Protesten. Die Menschen zündeten Autoreifen an, aus Wut darüber, dass ihre Namen nicht in den Wählerlisten gestanden hätten.
Einzelfälle waren das offenbar nicht. Kandidaten wie Mirlande Manigat, der Sänger Michel Martelly, der frühere Regierungschef Jacquez Edouard Alexis, der Unternehmer Charles Baker und andere bezichtigten die Regierung der Obstruktion. Den Menschen werde massenhaft das Wahlrecht vorenthalten, klagten sie bei einer gemeinsamen Pressekonferenz noch vor der Schließung der Wahllokale. Sie forderten ihre Anhänger zu friedlichen Demonstrationen aus. Sie wandten sich zudem an die UN-Mission Minustah und forderten sie auf, gegen die Fälschungen vorzugehen.
Bereits bei Öffnung der Wahllokale zeigten sich vielerorts Probleme. Oft fehlten die Wahlunterlagen, oder es lagen Listen aus anderen Wahlbüros vor, so dass die Menschen ihre Namen vergeblich in den Listen suchten und nicht wählen konnten. Mehrere Wahllokale wurden mit stundenlanger Verzögerung geöffnet. „Das ist die schlechteste Wahl, die ich je gesehen habe“, urteilte später ein internationaler Beobachter, der nach eigenen Angaben schon in Nicaragua, Guatemala und El Salvador Wahlen begleitet hat.
Die Wahl des Präsidenten und des Parlaments hatte am frühen Morgen unter dem Schutz der Vereinten Nationen begonnen. Mehr als 4,6 Millionen Bewohner des Karibikstaates waren zu dem historischen Urnengang aufgerufen. UN-Missionschef Edmond Mulet bezeichnete die Wahl als Meilenstein auf dem Weg Haitis zur Demokratie. Die neue Führung soll das am Boden liegende Land nach Erdbeben, Hurrikanen und nach dem Versagen der politischen Elite mit dem Geld der internationalen Staatengemeinschaft wieder aufbauen.
Um die Nachfolge von Präsident René Préval, der laut Verfassung nicht wieder antreten durfte, bewarben sich 18 Kandidaten. Außerdem wurden die 99 Deputierten der Abgeordnetenkammer und 11 der 33 Senatoren neu gewählt. Wahlergebnisse wurden erst am Montag (MEZ) erwartet.
Nach den meisten, allerdings nicht sehr vertrauenswürdigen Umfragen hatte die 70-jährige Mirlande Manigat Chancen, die meisten Stimmen auf sich zu vereinen. Sie war in den 80er Jahren First Lady, als ihr Mann, Leslie Manigat, für kurze Zeit Präsident Haitis war. Prévals Kandidaten, den Leiter eines Staatsunternehmens Jude Celestins, sahen die Umfragen auf dem zweiten Platz.
Gute Chancen rechneten sich auch der populäre Sänger Michel Martelly, der Anwalt Jean Henry Céant und der Textilunternehmer Charles Baker aus. Sollte in der ersten Runde niemand die absolute Mehrheit erringen, müssen sich die beiden stärksten Bewerber einer Stichwahl stellen.
Die Wahl fand unter extrem schwierigen Bedingungen statt. Kurz nachdem der Wahlkampf im Oktober offiziell begonnen hatte, brach die Cholera in Zentralhaiti aus, zum ersten Mal seit mehr als 100 Jahren. Ihr Höhepunkt ist nach Angaben von Experten noch nicht erreicht. Bisher starben über 1600 Menschen, über 60 000 erkrankten an der Seuche.
Anfang November suchte ein Hurrikan das häufiger von Wirbelstürmen betroffene Land heim und zerstörte die Wohnungen Tausender. Im Januar dieses Jahres hatte ein Erdbeben die Hauptstadtregion verwüstet. Mindestens 220 000 Menschen starben, rund 1,5 Millionen wurden obdachlos.