China schraubt Wachstumsziel herunter

Peking (dpa) - Chinas Wirtschaft soll in diesem Jahr langsamer wachsen - so wenig wie seit 25 Jahren nicht mehr. Mit diesem düsteren Ausblick eröffnete Ministerpräsident Li Keqiang in Peking die Jahrestagung des Volkskongresses.

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Er schraubte das Wachstumsziel für die zweitgrößte Volkswirtschaft auf „etwa sieben Prozent“ herunter. „Stabiles Wachstum aufrechtzuerhalten, wird schwieriger“, sagte der Premier. In seinem Rechenschaftsbericht vor den knapp 3000 Delegierten warnte Li Keqiang zugleich vor „latenten Gefahren“.

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Trotz Konjunkturschwäche sollen die Rüstungsausgaben aber wieder kräftig um 10,1 Prozent auf 886 Milliarden Yuan (heute umgerechnet 127 Milliarden Euro) zulegen. Der Zuwachs ist niedriger als im Vorjahr mit 12,2 Prozent, aber im fünften Jahr in Folge zweistellig und höher als das Wirtschaftswachstum. Doch liegt der Anstieg etwa auf der Höhe der Ausgabensteigerung im Gesamthaushalt.

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„Der Aufbau einer soliden Landesverteidigung und starken Armee ist die grundlegende Garantie für die Sicherung der Souveränität, Sicherheit und Entwicklungsinteressen Chinas“, argumentierte der Premier. Die Bereitschaft des Militärs und die Verteidigung der Grenzen, Küsten und des Luftraums müssten gestärkt werden. Wegen der Territorialstreitigkeiten im Ostchinesischen und Südchinesischen Meer verfolgen Chinas Nachbarn die Aufrüstung allerdings mit Sorge.

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Da der Abwärtsdruck auf die Wirtschaft noch steige, stehe China vor einem „kritischen Jahr“, sagte der Premier in seiner gut eineinhalbstündigen Rede in der Großen Halle des Volkes. Tief sitzende Probleme müssten bewältigt werden. 2014 war China mit 7,4 Prozent schon so langsam wie seit Anfang der 90er Jahre nicht mehr gewachsen. Experten halten in diesem Jahr sogar weniger als sieben Prozent für möglich.

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Schonungslos hob Li Keqiang die Probleme im Reich der Mitte hervor, beklagte Korruption, Misswirtschaft und Umweltverschmutzung. „In der Arbeit der Regierung gibt es noch viel zu verbessern“, sagte Li Keqiang. „Eine kleine Zahl von Regierungsmitarbeitern verhält sich unverantwortlich.“ Unter Hinweis auf den verstärkten Kampf gegen Bestechlichkeit sagte der Premier: „Es gibt schockierende Fälle von Korruption.“ Einige Amtsträger vernachlässigten ihre Pflichten.

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„Wir müssen den Problemen ins Auge blicken“, sagte Li Keqiang. „In Zeiten des Friedens müssen wir die Gefahren bedenken, in Zeiten der Stabilität vor potenziellem Chaos auf der Hut sein.“ Die Bevölkerung sei unzufrieden über „viele Unzulänglichkeiten“ in der Gesundheitsversorgung, Bildung, Einkommensverteilung, Nahrungsmittelsicherheit, im Wohnungswesen sowie bei Recht und Ordnung.

„Die Umweltverschmutzung ist an einigen Orten gravierend“, räumte der Ministerpräsident ein. Er versprach mehr Investitionen in den Umweltschutz und den Kampf gegen Smog, der auch während der Tagung in Peking wieder „ungesunde“ Werte erreichte. „Es ist ein großes Problem“, sagte die Delegierte Ma Changqing aus Guizhou der dpa. Für große Debatten sorgte am Rande der Tagung der Umweltfilm „Under the Dome“ der bekannten früheren Moderatorin des chinesischen Staatsfernsehens, Chai Jing, der im Internet mehr als 100 Millionen Mal aufgerufen worden war.

„Die Dokumentation wird nicht nur den Kampf gegen Smog voranbringen, sondern auch die politische und wirtschaftliche Reform“, glaubt der Delegierte Lu Yunhui aus Guizhou. Doch ging die Zensur bereits gegen Diskussionen und Berichte über den Film in den Staatsmedien vor.