Cleveland: Staatsanwalt prüft Todesstrafe für Kidnapper
Washington (dpa) - Dem mutmaßlichen Kidnapper der drei jungen Frauen in Cleveland droht möglicherweise die Todesstrafe.
Staatsanwalt Timothy McGinty teilte mit, dass er neben dem Vorwurf der Entführung und Vergewaltigung zusätzliche Anklagen gegen Ariel Castro wegen vorsätzlichen Mordes, versuchten Mordes und Körperverletzung anstrebe. Hintergrund sei, dass Castro zumindest eine seiner Gefangenen mehrfach gewaltsam zur Abtreibung gezwungen haben soll, nachdem er sie vergewaltigt hatte.
Er werde „jeden Akt vorsätzlichen Mordes“ untersuchen, den der Angeklagte „begangen hat, indem er Schwangerschaften abbrach“, sagte McGinty am Donnerstagabend (Ortszeit). Das Gesetz erlaube die Todesstrafe für Kriminelle, die im Zuge einer Entführung vorsätzlich einen Mord begingen. Die drei Frauen - Amanda Berry, Gina DeJesus und Michelle Knight - waren am Montag nach etwa einem Jahrzehnt Gefangenschaft aus Castros Haus befreit worden.
Bei ihnen war auch Berrys sechsjährige Tochter, sie war während der Gefangenschaft zur Welt gekommen. Ein DNA-Test bestätigte am Freitag, dass Castro der Vater des Kindes ist, wie die Behörden mitteilten. Knight war auch am Freitag noch im Krankenhaus, während ihre Leidensgefährtinnen am Mittwoch nach Hause zurückgekehrt waren.
Es war die erste offizielle Bestätigung von Berichten, nach denen zumindest eine Frau in der Gefangenschaft eine oder vielleicht sogar mehrere von dem Entführer herbeigeführte Fehlgeburten erlitt. Mehrere Medien hatten unter Berufung auf Polizeiprotokolle nach ersten Vernehmungen der Frauen gemeldet, dass Ariel bei einer Entführten fünfmal einen Schwangerschaftsabbruch herbeigeführt haben soll - per Nahrungsentzug und mit Tritten in den Leib.
Die drei Frauen mussten sich jahrelang der absoluten Kontrolle ihres Peinigers beugen. In Castros Haus habe die Polizei Seile und Ketten gefunden, mit denen die Opfer gefesselt worden seien, bestätigte der Polizeichef von Cleveland, Michael McGrath, am Freitag im TV-Sender NBC. Nur sehr selten hätten die Frauen das Haus verlassen und auf den Hof gehen dürfen.
Eine erwachsene Tochter des Angeklagten nutzte ein Interview mit dem TV-Sender CNN zu einer Abrechnung mit ihrem Vater. „Für mich ist er tot“, sagte die Frau. Ihr Vater sei „der bösartigste, niederträchtigste, dämonischste Kriminelle“. Sie habe ihn immer für einen liebenswürdigen Menschen gehalten und sei nun völlig schockiert. Sie habe niemals ungewöhnliche Vorgänge in ihrem Elternhaus bemerkt, in dem sie zum Zeitpunkt der Entführungen nicht mehr lebte.
Aber wenn sie ihren Vater besuchte, habe er immer sehr lange gebraucht, um die Haustür zu öffnen. Er habe sie zudem stets gebeten, nicht in den zweiten Stock zu gehen, weil es dort so unordentlich sei. Außerdem habe er ständig laute Musik bei sich laufen lassen. „Die Sache passierte genau vor meiner Nase“, sagte die Tochter.
Der Cousin eines Opfers erzählte, die Frauen hätten zu jedem Jahrestag ihrer Entführungen einen Kuchen backen müssen. „Er feierte ihren Entführungstag als ihre neuen Geburtstage“. Castro habe auf seinem 1400 Quadratmeter großen Anwesen eine „Folterkammer und ein privates Gefängnis mitten in unserer Stadt“ gehabt, teilte Staatsanwalt McGinty mit.
Psychologen, die verschiedene Entführungsfälle untersuchten, glauben, dass die Opfer häufig in eine Art „erlernte Hilflosigkeit“ verfallen. Menschen, die viele Jahre sexuell missbraucht worden und Todesdrohungen ausgesetzt gewesen seien, entwickelten zwangsläufig komplizierte und ambivalente Gefühle ihrem Peiniger gegenüber, um zu überleben, sagte der Psychologe David A. Wolfe von der Universität von Toronto in der „New York Times“ vom Donnerstag.
Castro gab in einer ersten Vernehmung laut mehreren Medien als Tatmotiv an, dass er „sexsüchtig“ sei. Er sei unfähig, seine Triebe zu kontrollieren, berichtete der lokale Kanal WKYC. Seine Angehörigen wandten sich von ihm ab. „Ich bitte die Frauen und die Mädchen um Verzeihung für das Leid, das sie erlitten haben“, sagte Castros Mutter unter Tränen einem Reporter.