Clinton: Islamabad wusste nicht von Bin Laden
Islamabad (dpa) - Pakistans Regierung hat nach Einschätzung von US-Außenministerin Hillary Clinton keine Kenntnis vom jahrelangen Aufenthalt des Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden im Land gehabt.
„Es gibt absolut keinen Beleg dafür, dass irgendjemand in den obersten Ebenen der pakistanischen Regierung wusste, dass Osama bin Laden nur ein paar Meilen von dem Ort entfernt lebte, an dem wir uns heute befinden“, sagte Clinton am Freitag in Islamabad.
Knapp vier Wochen nach der Tötung Bin Ladens durch US-Spezialkräfte bemühte sich Clinton bei dem eintägigen Blitzbesuch um Entspannung im Verhältnis zu Pakistan. Sie rief die Regierung zugleich zu einem entschiedeneren Vorgehen gegen Terroristen auf. Der Besuch war der hochrangigste in Pakistan seit der eigenmächtigen US-Operation gegen Bin Laden in Abbottabad zu Monatsbeginn, über die Pakistan nicht informiert worden war. Der Vorfall hatte zu schweren Verstimmungen zwischen Washington und Islamabad geführt.
„Keine Nation hat mehr Leben in diesem Kampf gegen gewalttätigen Extremismus geopfert als Pakistan“, sagte Clinton am Freitag nach einem Treffen mit Präsident Asif Ali Zardari, Premierminister Yousuf Raza Gilani und Armeechef Ashfaq Parvez Kayani. „Extremisten haben Frauen und Kinder getötet, Moscheen und Märkte in die Luft gesprengt und keine Rücksicht auf Menschenleben und Würde genommen.“ Aus Pakistan heraus hätten Terroristen Unschuldige im Land selber, in Afghanistan und in weiter entfernten Ländern angegriffen.
„Pakistan und die Vereinigten Staaten haben zusammengearbeitet, um viele dieser Terroristen hier auf pakistanischem Boden zu fangen oder zu töten“, sagte die Ministerin. „Aber wir erkennen beide an, dass viel mehr Arbeit notwendig ist, und es ist dringend.“ Die USA würden ihren Beitrag dazu leisten und erwarteten von der pakistanischen Regierung, dass sie in den kommenden Tagen entschlossene Maßnahmen ergreife. Mit dem Tod Bin Ladens sei ein „Wendepunkt“ erreicht worden. Al-Kaida bleibe aber eine ernste Bedrohung für Pakistan und Amerika. Gemeinsames Vorgehen gegen Al-Kaida und verbundene Terrorgruppen werden Pakistan, Amerika und die Welt sicherer machen.
Zu den Bemühungen um Versöhnung mit den Taliban in Afghanistan sagte Clinton, Pakistan müsse ein Teil dieses Prozesses sein. Pakistans legitime Interessen müssten in dem Prozess berücksichtigt werden. Clinton sagte weiter, viele Taliban-Anführer lebten weiterhin in Pakistan. Islamabad habe Verantwortung dafür, Aufständische daran zu hindern, von Pakistan aus Ziele in Afghanistan anzugreifen.
Das Parlament in Islamabad hatte den Einsatz gegen Bin Laden als Verletzung der Souveränität Pakistans scharf kritisiert. Die Abgeordneten hatten gedroht, im Wiederholungsfall den Nachschub für die Nato-Truppen in Afghanistan abzuschneiden. Der Nachschub läuft vor allem durch Pakistan.
Pakistan gab dem US-Geheimdienst CIA unterdessen nach einem Bericht der „Washington Post“ grünes Licht für die Durchsuchung des Anwesens, in dem Bin Laden getötet wurde. Demnach darf ein Forensik-Expertenteam das Gebäude in Abbottabad mit hochmodernen Geräten durchkämmen. Ziel sei es, Material aufzuspüren, das etwa in Wänden versteckt oder auf dem Grundstück vergraben sein könnte, berichtete die Zeitung am Donnerstag (Ortszeit) online unter Berufung auf US-Regierungsbeamte.