Festnahme auf dem Bauernhof: Flucht von Mladic ist beendet
Der mutmaßliche Kriegsverbrecher lebte als Milorad Komadic bei einem Verwandten.
Belgrad. Als die ersten Fahrzeuge des Geheimdienstes und der Spezialpolizei um 6 Uhr im Dorf Lazarevo bei Zrenjanin auftauchten, war selbst der Bürgermeister überrascht. Auch der von seinen Landsleuten immer noch hoch geschätzte und seit Jahren als Kriegsverbrecher gesuchte Ratko Mladic war offenbar ahnungslos. Er lebte als Milorad Komadic in dem Dorf.
In einem unscheinbaren bäuerlichen Anwesen in der Provinz wurde der militärische Superstar der Serben aus den 90er-Jahren ohne große Zwischenfälle festgenommen. Er hatte bei einem Verwandten Unterschlupf gefunden. Diesem geht es wirtschaftlich offensichtlich nicht so prächtig, worauf das rostige Eingangstor zum bescheidenen Hof hinweist.
In ersten Kommentaren zeigten sich viele Bürger enttäuscht. „Mladic hat uns jahrelang verteidigt, hat dem Staat geholfen und den Armen Essen gegeben“, lautet eine Zuschrift an die Zeitung „Blic“, die von vielen hundert Menschen unterstützt wurde. „Riesenverrat an Serbien“ und „Freiheit für die serbischen Heroen“, hieß es in anderen Kommentaren. Selbst bei der letzten Umfrage sprachen sich noch 51 Prozent der Bürger gegen eine Verhaftung von Mladic aus.
Der Analytiker Zoran Dragis hat eine klare Antwort auf die Frage, warum Mladic gerade jetzt dingfest gemacht wurde. „Es bleibt der Eindruck, dass die Regierung in Serbien die ganze Zeit wusste, wo er sich versteckt“, sagte er: „Und als jetzt die EU-Kandidatur gefährdet war, musste man Mladic schnell aufspüren.“
Die serbischen Medien jedenfalls waren völlig unvorbereitet. Die erste Meldung kam von einer Zeitung im Nachbarland Kroatien. Staatschef Boris Tadic beeilte sich dann auch bei der Veröffentlichung der sensationellen Nachricht, gleich als Gegenleistung die EU-Kandidatur seines Landes einzufordern.
Dem wird sich Brüssel wahrscheinlich nicht entziehen können. Denn die Festnahme von Mladic wurde bisher von vielen EU-Politikern als Bedingung aller Bedingungen für die Öffnung der EU-Tore verstanden.
Staatspräsident Tadic, der alles im Land bestimmt und alle Fäden fest in der Hand hält, hat sich offensichtlich zu dieser hoch riskanten Strategie durchgerungen: Weil seine DS-Partei dramatisch an Zustimmung verloren hat, benötigt er einen neuen Trumpf vor den nächsten Parlamentswahlen im kommenden Frühjahr.
Angesicht einer darniederliegenden Wirtschaft sowie von Arbeitslosigkeit und sozialer Not soll die EU-Mitgliedschaft das neue politische Ass im Ärmel werden.