Atomwächter erhöhen Druck auf Syrien und Iran

Wien (dpa) - Syrien hat nach Einschätzung der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA mit großer Wahrscheinlichkeit an einem geheimen Nuklearwaffenprogramm gearbeitet. Der Iran baute nach neuen Hinweisen möglicherweise bis mindestens 2010 an einer Atombombe.

Dies geht aus diplomatischen Kreisen in Wien sowie zwei neuen IAEA-Berichten zu den Ländern hervor, die am Dienstag an die Mitgliedsstaaten verteilt wurden und der Nachrichtenagentur dpa vorliegen. Im Syrien-Bericht schließen die Atomwächter erstmals aus all den ihnen vorliegenden Informationen, dass eine 2007 von Israel zerstörte Anlage in Al Kibar (Dair Alzour) mit großer Wahrscheinlichkeit ein fast fertiger geheimer Atomreaktor war.

Damit bereiten die Atomwächter in Wien den Grund für mögliche weitere Schritte der internationalen Gemeinschaft gegen das Regime in Damaskus. Entscheidet sich der IAEA-Gouverneursrat in seiner Sitzung Anfang Juni, den Fall Syrien per Resolution an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) zu verweisen, könnten weitere Sanktionen drohen. Die Europäische Union hatte erst am Montag Sanktionen gegen die Machthaber in Syrien wegen der Unterdrückung der jüngsten Proteste verhängt.

Der Streit um ein geheimes Atomwaffenprogramm läuft aber schon sehr viel länger: Unter anderem die USA sind sich seit langem sicher, dass Syrien in Al Kibar an einer Anlage zur Produktion von Material für Atomwaffen baute. Doch Israel zerstörte die Anlage 2007, bevor die IAEA die Vorwürfe klären konnte. Atominspekteure fanden aber bei einer anschließenden Kontrolle des Geländes Spuren von Uran, die nicht natürlichen Ursprungs sein konnten.

Damaskus bestreitet alle Vorwürfe, arbeitete aber mit der IAEA seit Jahren nicht ausreichend zusammen. Die IAEA habe alle Möglichkeiten ausgereizt, Syrien zur Zusammenarbeit zu bewegen und habe sich deshalb zu diesem Urteil im Bericht entschlossen, hieß es aus diplomatischen Kreisen in Wien. Westliche Staaten hatten die unabhängige Behörde seit Monaten zu einer härteren Haltung und einer abschließenden Bewertung aufgefordert.

„Ungeachtet des Verlustes wichtiger Informationen, unter Berücksichtigung der ursprünglichen Vorwürfe und der syrischen Reaktion dazu sowie aller der IAEA vorliegenden Informationen kommt die Behörde zu dem Schluss, dass das zerstörte Gebäude sehr wahrscheinlich ein Atomreaktor war (...)“, heißt es nun in dem IAEA-Bericht. Dieser hätte den Atomwächtern gemeldet werden müssen. Der IAEA liegen zudem Beweise vor, nach denen die Anlage fast baugleich mit einer Anlage zur Brennstoffproduktion für Atomwaffen in Nordkorea war, heißt es aus diplomatischen Kreisen in Wien.

Für den Iran erhärten neue Informationen über das iranische Atomprogramm den Verdacht weiter, dass Teheran in der Vergangenheit oder gegenwärtig ein Atomwaffenprogramm hat. Diese Informationen würden momentan geprüft, heißt im neuen Iran-Bericht.

Die Informationen enthielten weitere Details über mögliche Atomwaffenaktivitäten bis zum Jahr 2010, verlautete aus diplomatischen Kreisen in Wien. Auch in ihrem neuen Bericht zeigten sich die Atomwächter in Wien wieder besorgt darüber, dass der Iran möglicherweise im Geheimen an Atomwaffen arbeiten könnte. Dessen sind sich viele Staaten der Welt inzwischen sicher. Teheran bestreitet das stets und beteuert, mit seinem Atomprogramm nur friedliche Zwecke zu verfolgen.