Noch keine Anklage Deniz Yücel seit 100 Tagen in Haft
Berlin (dpa) - Zu seinem 100. Hafttag in der Türkei hat der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel am Mittwoch in der „Welt“ von seinen Haftbedingungen berichtet.
„Nicht nur mir geht es so, in fast allen politischen Verfahren gilt das Prinzip: erst Knast, dann Prozess“, schreibt der „Welt“-Korrespondent. Jeder Kritiker werde in der Türkei zuerst in Untersuchungshaft gesteckt, dann die Anklageschrift hinausgezögert. „Ich muss also davon ausgehen, dass aus dem Urlaub ... in diesem Sommer nichts wird“, fügt er hinzu.
Der 43-Jährige hat einen deutschen und türkischen Pass. Am 14. Februar nahm ihn die Polizei in Istanbul in Gewahrsam. Knapp 14 Tage später erließ ein Gericht Haftbefehl. Seitdem sitzt Yücel in Untersuchungshaft. Ihm wird unter anderem Volksverhetzung sowie Terrorpropaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vorgeworfen.
Inzwischen erhalte er Briefe, schreibt Yücel - „gerade so viele, dass ich nicht länger sagen kann, es herrsche eine totale wie rechtswidrige Briefsperre.“ Außerdem habe er zum ersten Mal den Gefängnisportplatz besuchen können.
In seiner 16 Quadratmeter großen Zelle sei er, anders als andere im Gefängnis Silivri inhaftierte Journalisten, in Einzelhaft untergebracht. Von den 100 Tagen im Gefängnis hat Yücel nach Angaben seiner Ehefrau Dilek Mayatürk Yücel 87 in Einzelhaft verbracht.
Den Text hatte Yücel seinen Anwälten im Gefängnis diktiert. Besuch erhält er einmal wöchentlich von seiner Ehefrau, die er in Haft geheiratet hat. Auch sie berichtet in einem separaten Beitrag am Mittwoch in der „Welt“ und anderen Medien über die Situation.
Der Fall Yücel erfährt viel Solidarität: Mit einer Lesung im Frankfurter Schauspiel haben etwa Autoren und Angehörige am Sonntag die Freilassung des Journalisten verlangt. Die Initiative #FreeDeniz hat Autokorsos und Demonstrationen für ihn organisiert.
„Deniz Yücel hat nichts als seine journalistische Arbeit getan. Jeder einzelne Tag, den er im Gefängnis verbringen muss, ist eine Schande für die türkische Justiz“, sagte der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr, zum 100. Hafttag. Rund 165 Journalisten sitzen nach Angaben der Organisation aktuell in der Türkei im Gefängnis.