Depardieu sitzt auf gepackten Koffern
Volksheld oder Steuerflüchtling? Der angekündigte Umzug des Schauspielers nach Belgien wird zu einer Staatsaffäre.
Paris. Sehr eilig scheint es Gérard Depardieu (63) mit seiner Abreise aus Frankreich nicht zu haben. Während sich die angekündigte Steuerflucht nach Belgien zu einer dramatischen Staatsaffäre ausweitet, flaniert der französische Star seelenruhig durch die Rue du Cherche-Midi in Paris. Bald wird er hier die Zelte abbrechen, um nur tausend Meter hinter der Grenze, im belgischen Nest Néchin, ein neues Domizil, ein schlichtes Zollhaus, zu beziehen.
Aber noch ist es nicht so weit. Noch genießt es Frankreichs bekanntester und bestbezahlter Schauspieler, in seinem Viertel der Chef im Ring zu sein. Hier sind die Sympathien der Menschen eindeutig verteilt — zugunsten des Künstlers und gegen die Regierung. Hier ist er nicht Frankreichs berühmtester Steuerflüchtling und ein Vaterlandsverräter, sondern ein Volksheld.
Depardieu hatte angekündigt, in Belgien Zuflucht suchen zu wollen vor den Steuereintreibern der Republik. Denn ab dem neuen Jahr gilt für Superreiche wie ihn, die mehr als eine Million Euro im Jahr verdienen, der neue 75-Prozent-Spitzensatz.
Die US-Zeitung „Wall Street Journal“ schätzt das Vermögen des 63-Jährigen auf 90 Millionen Euro. Dem Schauspieler, der in 45 Jahren in bald 200 Filmen aufgetreten ist, gehören Restaurants und Weingüter. Allein der Wert seiner luxuriösen Villa in Paris, dem „Hôtel de Chambon“, einem 1800 Quadratmeter großen Palais aus dem 19. Jahrhundert, wird auf 50 Millionen Euro geschätzt. Nun steht es laut Medien zum Verkauf.
Schon vor der Wahl hatten sie den zu erwartenden Exodus der Superreichen und Stars an die Wand gemalt. Nun scheint es so weit zu sein. Im September kündigte Bernard Arnault, als Gebieter über den Luxuskonzern LVMH (Louis Vuitton — Moët Hennessy) der reichste Mann in Europa, an, das Land Richtung Belgien verlassen zu wollen.
Im Oktober reiste dann der beliebte Schauspieler Christian Clavier, der an der Seite von „Obelix“ Depardieu den „Asterix“ spielte, nach London ab. Die Schlagzeilen der französischen Medien klingen in diesen Tagen genauso griffig wie die der Comic-Bestseller: „Asterix bei den Briten“ und „Obelix bei den Belgiern“.
Während die meisten Flüchtlinge ihr Vaterland auf leisen Sohlen zu verlassen pflegen, wird aus Depardieus fulminantem Abtritt aber großes Kino. Erst recht, als linke Spitzenpolitiker auf ihn eindreschen. Premierminister Jean-Marc Ayrault geißelte die Steuerflucht als „erbärmlich“, sein Kabinettskollege Michel Sapin diagnostizierte gar „eine Art von persönlicher Verwahrlosung“.
Je häufiger und härter die Schläge der Kritiker nun unter Depardieus Gürtellinie landeten, desto mehr Wut staute sich in dem Schauspieler auf. Am vergangenen Sonntag schließlich warf er der Regierung wutentbrannt seinen französischen Pass vor die Füße und rechnete in einem bitterbösen und zugleich anrührenden Brief an den Premierminister und den Staatspräsident schonungslos ab. „Wir haben nicht mehr dasselbe Vaterland.“