Der Strom aus der Wüste und die Islamisten in Nordafrika
„Desertec“ will ab 2016 Energie aus Sonne und Wind nach Europa bringen. Gefährdung des Projekts durch Terroristen sei nicht gegeben.
Berlin. Die Vision ist verlockend — bis 2050 sollen bis zu 20 Prozent des europäischen Strombedarfs durch Solar- und Windenergie aus der nordafrikanischen Wüste gedeckt werden. Steht das „Desertec“-Projekt wegen der Anschläge islamistischer Terroristen auf der Kippe? Dazu äußert sich „Desertec“-Chef Paul van Son.
Herr van Son, nach Einschätzung von Beobachtern bedrohen die Islamisten von Mali aus ganz Nord- und Westafrika. Ist damit das Wüstenstrom-Projekt gefährdet?
Paul van Son: Nein, überhaupt nicht. Bei den Wüsten reden wir über ein Gebiet von über 5000 Kilometern zwischen West- und Ostafrika und 2000 Kilometern Ausdehnung nach Süden. Auch in Europa gab es Anschläge durch Terrororganisationen wie Eta oder IRA. Aber das hat doch die europäische Energieversorgung nicht infrage gestellt. Umgekehrt wird in Nordafrika ein Schuh daraus: Nur wenn wir dort in die Infrastruktur, in die Stromversorgung investieren, werden wir auch soziale Probleme mit lösen helfen und so dem Extremismus den Nährboden entziehen.
In Marokko, wo in diesem Jahr mit dem Bau eines Solarthermie-Kraftwerks begonnen werden soll, ist es zwar politisch ruhig. Aber das könnte sich ja auch ändern.
van Son: In Marokko geht es nicht nur um Sonnenenergie, sondern auch um Windkraft. Hier ist die Entwicklung schon weit fortgeschritten. Das lässt sich auch nicht mehr zurückdrehen.
Sollte sich Europa dauerhaft militärisch in Nordafrika engagieren, um wirtschaftliche Projekte wie „Desertec“ zu sichern?
van Son: Ich kann dazu keine Empfehlungen geben. Wir konzentrieren uns darauf, mit den Regierungen der Länder in Nordafrika, dem Nahen Osten und Europa über langfristige Perspektiven bei der Stromversorgung zu sprechen. Es ist grundsätzlich notwendig für die internationale Gemeinschaft, dafür zu sorgen, dass man zusammen bei erneuerbaren Energien vorankommt.
Aber Investoren dürften zurückhaltender werden, wenn die Sicherheitsfrage das „Desertec“-Projekt überschattet.
van Son: Die Investoren waren lange Zeit zurückhaltend, gerade für Nordafrika und den Nahen Osten. Das hat aber damit zu tun, dass die Bedeutung des wirtschaftlichen Engagements für die Stabilität dieser Regionen unterschätzt wurde. Das ändert sich jetzt langsam.
Ist es überhaupt sinnvoll für Europa, bei der künftigen Stromversorgung auf instabile Regionen zu setzen anstatt eigene Potenziale zu nutzen? Auch Spanien hat Sonne satt, Griechenland genauso.
van Son: Man kann doch nicht davon ausgehen, dass bestimmte Regionen für immer instabil sind.
2016 soll bereits der erste Strom von Afrika nach Europa fließen. Halten Sie das für realistisch?
van Son: Das ist realistisch. Schon heute sind Spanien und Marokko durch Stromkabel verbunden. Im marokkanischen Ouarzazate entstehen jetzt Solaranlagen mit knapp 500 Megawatt.