Der Ukraine droht die Staatspleite

Wenn sich die EU und Russland nicht schnell über Hilfen einigen, könnte das Land endgültig im Chaos versinken.

Viktor Janukowitsch, Präsident der Ukraine. Seinem Land droht der Staatsbankrott.

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Brüssel. „Wir sind nicht in einem Bieterwettbewerb, bei dem es darum geht, wer am meisten für die Unterschrift der Ukraine zahlt“, sagt EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Es klingt fast trotzig. Denn gerade arbeitet die EU unter Hochdruck an einem Plan für Wirtschaftshilfen für die Ukraine. Damit sollen demokratische Reformen belohnt werden — wenn es sie denn gibt. Und die Ukraine, akut vom Staatsbankrott bedroht, soll wirtschaftlich so stabilisiert werden, dass die nächsten Wahlen möglich sind.

Moskau sieht die von der EU bisher geleisteten oder jetzt neu geplanten Hilfen dagegen als Versuch Westeuropas, die geschichtlich und kulturell engstens mit Russland verbundene Ukraine von ihrer natürlichen Familie zu trennen — aus geopolitischen und strategischen Überlegungen. „Was hat die Aufstachelung zur Gewalt mit der Förderung von Demokratie zu tun?“, wetterte der russische Außenminister Sergej Lawrow bei der Münchner Sicherheitskonferenz. EU-Beteuerungen, die Ukrainer sollten selbst über ihre politische Nähe zur EU oder zu Russland entscheiden, seien unglaubwürdig, wenn die EU-Spitze im gleichen Atemzug betone, die Zukunft der Ukraine liege in der Europäischen Union.

Seit der Unabhängigkeitserklärung der Ukraine vom August 1991 hat die EU dem Land 3,3 Milliarden Euro geschenkt und Kredite von 10,5 Milliarden Euro bereitgestellt. Zudem würde das Assoziierungsabkommen, das Präsident Viktor Janukowitsch nach massivem russischen Druck nicht unterzeichnete, nach Berechnungen der EU das Bruttoinlandsprodukt um sechs Prozent und den Lebensstandard der Ukrainer um zwölf Prozent erhöhen.

Russland hat Janukowitschs Weigerung, das Abkommen mit der EU zu unterzeichnen, mit der Zusage eines Kredits in Höhe von 15 Milliarden US-Dollar belohnt. Angesichts der Proteste in der Ukraine setzte Präsident Wladimir Putin die Auszahlung des Geldes aber erst einmal aus.

Voraussetzungen für EU-Förderungen sind aber Reformen, die Janukowitsch bisher hartnäckig verweigert. Die IWF-Berichte über die Wirtschaftspolitik der Ukraine lesen sich wie Horror-Geschichten. Ohne Einigung zwischen Kiew und dem IWF bleiben auch 610 Millionen Euro, die die EU schon vor einem Jahr bereitstellte, in den EU-Kassen.

Die Lage in der Ukraine bereitet der EU größtes Kopfzerbrechen. Der für die Erweiterungspolitik zuständige EU-Kommissar Stefan Füle wagte sich weit vor: Obwohl die 28 EU-Regierungen einen Beitritt der Ukraine bisher nicht wollen, brachte er genau das ins Spiel. Man müsse überlegen, ob man nicht das „stärkste Instrument, das die EU besitzt“, auch nutzen wolle: „Das Versprechen einer Mitgliedschaft.“